Düsseldorf Nach Amoklauf: Höherweg unter Schock

Düsseldorf · Einen solchen Polizeieinsatz hat Flingern nicht mehr erlebt, seit in den 1980er Jahren an der Kiefernstraße Terroristen vermutet und gesucht wurden. Das gesamte Areal zwischen Kettwiger und Ronsdorfer Straße war abgeriegelt.

 Ein riesiges Aufgebot an Polizei und Rettungskräften bevölkerte gestern über Stunden den Höherweg. Im Hintergrund einer der maskierten SEK-Männer. Im weißen Overall ein Experte für Spurensicherung.

Ein riesiges Aufgebot an Polizei und Rettungskräften bevölkerte gestern über Stunden den Höherweg. Im Hintergrund einer der maskierten SEK-Männer. Im weißen Overall ein Experte für Spurensicherung.

Foto: Andreas Endermann

Höherweg, Freitagmittag, gegen 12 Uhr: Ein junges Paar kommt aus dem Gebäude, auf dem in riesigen Buchstaben der Namen des deutschen Automobilclubs ADAC steht. Zusammen mit weit über 100 anderen werden die beiden von der Polizei angewiesen, sich in Sicherheit zu bringen. Sichtlich geschockt berichten sie, dass sie gerade eine blutüberströmte Frau gesehen haben: "Aber wir wissen nicht, was passiert ist. Offenbar läuft da einer Amok."

 In Bussen der Feuerwehr werden Tatzeugen von Fachleuten der Polizei vernommen und betreut.

In Bussen der Feuerwehr werden Tatzeugen von Fachleuten der Polizei vernommen und betreut.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Nur wenige Meter entfernt hat die Feuerwehr einen ihrer Busse aufgestellt. In diesen Fahrzeugen werden normalerweise Personen betreut, die wegen eines Brandes ihre Wohnung verlassen mussten. Jetzt sitzen dort Augenzeugen der Bluttat und werden betreut, soeben ist eine Notfallpsychologin angekommen, in großen Buchstaben steht ihre Berufsbezeichnung auf dem Rücken ihrer Einsatzkluft.

Amokläufer aus Düsseldorf in Gocher Pizzeria gefasst
7 Bilder

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Im obersten Stock des Gebäudes Höherweg 101 hat in einer Anwaltskanzlei ein 49-Jähriger wie bei einem Amoklauf eine Juristin umgebracht und einen wohl zufällig anwesenden Mann schwer verletzt. Dass derselbe Täter später in Erkrath nochmals tötet, erfahren die Menschen viel später. Was sie auch nicht ahnen: Die Polizei hatte sich auf einen noch schlimmeren Amoklauf eingestellt und daher einen riesigen Einsatz gestartet.

Der Höherweg, in Düsseldorf nur die Automeile genannt, ist eine normalerweise lebhafte, aber friedliche Gegend. Die Menschen flanieren dort von einem Autohaus zum anderen — aufgereiht wie Perlen an einer Kette kann man dort vom Luxusauto Bentley bis zu einem kleinen Kia alles beschauen und kaufen.

Dass dort der ADAC seinen neuen Hauptsitz für Düsseldorf und die Region hat, ist also kein Zufall: Alles dreht sich ums Auto — und auch die Kfz-Zulassungsstelle ging logischerweise an diese Adresse.

An diesem Freitag jedoch prägen Polizei und Feuerwehr das Bild. Hunderte Beamte sind im Einsatz, respekteinflößend die maskierten SEK-Kräfte, die in Gruppen das Gelände durchsuchen oder Knotenpunkte bewachen — schwarze Maschinenpistolen haben einige der Männer an der Schulter hängen, am Gürtel allerlei Gerät, dessen nähere Bedeutung dem Laien unklar und daher besonders unheimlich ist. Fasziniert beobachten ein paar Passanten, wie SEK-Leute eine Ramme montieren — das schwere Teil, das aussieht wie ein kurzer, dicker Baumstamm, wird wenig später zum Einsatz kommen, weil man nicht für alle Türen der zu durchsuchenden Gebäude Schlüssel findet, aber dennoch hinein will. Also werden sie eingeschlagen.

Der Verkehr auf den umliegenden Straßen stockt auf vielen hundert Metern, Polizeiwagen haben den Höherweg abgeriegelt. Alle Autos, die hinausfahren aus dem Gebiet, werden durchsucht — bis man sicher ist, dass der Täter längst weg ist.

(RP)
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