16 Jahre nach Anschlag in Düsseldorf Mutmaßlicher Wehrhahn-Attentäter ist in Haft

In Düsseldorf ist am Dienstag Haftbefehl gegen einen 50-Jährigen wegen der Bombenexplosion am Wehrhahn im Juli 2000 erlassen worden. Der Mann soll Kontakte in die rechte Szene gehabt haben. Bei dem Anschlag waren zehn Menschen verletzt und ein ungeborenes Kind getötet worden.

 So präsentiert sich Ralf S. auf seinem Profil bei Facebook.

So präsentiert sich Ralf S. auf seinem Profil bei Facebook.

Foto: Screenshot Facebook

Nach Informationen unserer Redaktion war gegen den Beschuldigten, der zuletzt in Ratingen wohnte, bereits kurz nach der Tat ermittelt worden. In einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag gaben Staatsanwaltschaft und Polizei Details zu dem Fall bekannt (hier lesen Sie das Protokoll zur Pressekonferenz im Liveblog). Der mutmaßliche Bombenleger soll mit seiner Tag geprahlt haben. Ralf S. habe wegen einer anderen Straftat im Gefängnis gesessen und den Anschlag einem Mitgefangenen in der Haftanstalt gestanden.

Bereits fünf Tage nach der Tat war der damalige Militariahändler, der sich später nach eigenen Angaben als Detektiv und "Survival Trainer" betätigte, unter Verdacht geraten. Ralf S., der nach Informationen unserer Redaktion seine geplante Karriere bei der Bundeswehr unfreiwillig hatte beenden müssen, betrieb damals einen Laden unweit des Tatorts.

Von dort wäre theoretisch möglich gewesen, den Sprengsatz am Eingang des S-Bahnhofs mit einem Seil zu zünden, spekulierten seinerzeit die Ermittler. Eine Theorie, die sich damals als nicht haltbar erwies. Auch seine Kontakte in die rechtsextreme Szene in Düsseldorf boten kein ausreichendes Indiz dafür, dass S. der Attentäter gewesen sein könnte. Zumal der Waffennarr, der sich selbst "Sheriff von Flingern" nannte und gerne im Kampfanzug im Stadtteil unterwegs war, zwar Rechtsrock-CDs und Militärkleidung an Mitglieder einer Neonazi-Kameradschaft verkaufte, in der Szene aber auch als verrückt galt und eher unbeliebt war.

Inzwischen steht für die Ermittler fest, dass S. aus ausländerfeindlichen Motiven gehandelt hat. Die Opfer des Anschlags sind bereits am Dienstagabend von Polizeibeamten persönlich über die Verhaftung informiert worden. Darauf haben sie 16 Jahre gewartet.

Beim Anschlag am S-Bahnhof Wehrhahn am 27. Juli 2000 explodierte eine Rohrbombe und verletzte zehn Menschen. Eine Frau verlor ihr ungeborenes Baby.

Die Opfer waren auf dem Heimweg vom Deutschunterricht an einer Sprachschule gekommen. Es handelte sich um vier Russlanddeutsche und sechs jüdische Kontingentflüchtlinge. Sie wohnten in Hilden, Solingen, Duisburg und Erkrath, einer von ihnen auch im Düsseldorfer Süden.

Die Tat wurde schnell als rechtsextremistisch motiviert eingestuft. Nach Informationen unserer Redaktion gibt es keinen Zusammenhang mit den NSU-Verbrechen, wie zwischenzeitlich vermutet.

Was genau die Polizei über die Ermittlungen und die Festnahme von Ralf S. bekanntgegeben hat, lesen Sie hier in unserem Protokoll zur Pressekonferenz.

Lesen Sie hier ein Feature unserer Autorin über den 15. Jahrestag des Wehrhahn-Anschlags:Kostenpflichtiger Inhalt "Ein fast vergessenes Verbrechen"

(sg)
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