Düsseldorf Nächster Halt Kleinforst

Düsseldorf · "Gleis 3" steht über dem Eingang. Das Schild stammt genauso aus dem Besitz der DB wie die große Bahnhofsuhr und die Andreaskreuze. Hinter der rot-weißen Schranke wartet Jochen Korth. Der 75-Jährige ist 1. Vorsitzender des Modellbahnclubs, Lokführer, Schaffner, Fahrkartenverkäufer und vieles mehr in einer Person.

 Jochen Kurth auf großer Fahrt in kleiner Bahn.

Jochen Kurth auf großer Fahrt in kleiner Bahn.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

2008 hat der Rentner das Areal am Rande der A46 von der Deutschen Bahn gepachtet. Damals war es eine Brache, ungenutzt und komplett zugewuchert. "Die Brennnesseln standen hier zwei Meter hoch", erinnert sich Korth. Heute könnte man auf dem frisch gestutzten Rasen Wimbledon austragen. Zwischen Weiden, Bambus, Wildkirschen und Apfelbäumen schlängeln sich 1300 Meter Schienen in mehreren Schleifen über die 6000 Quadratmeter Gelände. Eine Deutschlandfahne flattert über dem Areal. Oben auf der Autobahn rauscht Lkw um Lkw vorbei.

Am Bahnhof Kleinforst startet unsere Probefahrt mit einem der insgesamt drei Personen-Züge. "Wir machen die Fernstrecke", entscheidet Korth. Die Fernstrecke misst 600 Meter. Im Gegensatz zu anderen Modellbahnloks, die mit Diesel oder Kohle fahren, wird unser Zug über eine Gel-Batterie betrieben. Reisegeschwindigkeit: stolze sechs km/h. Zu Fuß wäre man kaum langsamer. Wie in Zeitlupe rattert unser Zug kurz darauf über Brücken, vorbei an Wolf und Wildschwein aus Plastik, durchquert einen Wald und taucht nicht ohne das obligatorische Pfeifen in einen 30 Meter langen Tunnel ein. Es ist, als führe man zurück in die eigene Kindheit.

Die perfekte Mischung aus Nostalgie und Entschleunigung. "Seit der offiziellen Eröffnung im Jahr 2011 haben wir die Strecke peu à peu erweitert", erklärt Korth, als wir wieder im Bahnhof eingefahren sind. 23 Mitglieder zählt der Verein derzeit, der überwiegende Teil davon männlich. Modelleisenbahn ist und bleibt ein Herren-Hobby. "Wir haben aber auch ein Mädel dabei", lacht Korth. Die "Quotenfrau" sei gerade mal um die 30 und damit ungefähr halb so alt wie das durchschnittliche männliche Vereinsmitglied.

Viele Mitglieder des Modellbahnclubs besitzen eigene Züge und kommen auf das Gelände, um sie dort fahren zu lassen. Aber auch "Gastfahrer" reisen zum Teil von weit her an. Wie der Besitzer des "Krokodils". Das "Krokodil" ist eine Schweizer Lok, die am 12. und 13. August auf dem Modellbahnclub-Areal ihre Runden drehen wird. Ein Fest für jeden Modelleisenbahn-Fan, schließlich ist das "Krokodil" sozusagen der Porsche unter den Modelleisenbahnloks. Länge: drei Meter. Gewicht: eine Tonne. Preis: 200.000 Euro. "Transportiert wird sie mit einem Spezialanhänger, von dem aus man sie direkt aufs Gleis absenken kann", weiß Korth. Er selber freut sich jedenfalls diebisch darauf.

Von 365 Tagen im Jahr verbringt der gebürtige Leipziger "bestimmt 280" auf dem Modellbahnclub-Gelände. Er kommt bei Regen, Sturm und Schnee - zu tun ist ja immer was. Früher hat er manchmal seine Frau mitgebracht. Heute bleibt sie lieber zuhause und schaut fern. Es sei gar nicht unbedingt das Fahren, das den Reiz des Ganzen ausmache, erklärt der 75-Jährige, "sondern das Gestalten".

Der ehemalige Kürschner hat Bahnhöfe und viele Brücken gebaut, Schienen geschweißt und Loks repariert. Die Fahrgäste danken es ihm jedes Mal. Für Kindergeburtstage wird das Areal gerne genutzt, schließlich verfügt es neben der eigentlichen Hauptattraktion auch über Grillhütten, Fußballplatz und Trampolin. "Manchmal stellen wir auch eine Hüpfburg auf", sagt Korth.

Von Ende März bis Ende Oktober sind zudem an jedem zweiten und vierten Wochenende offiziell Fahrtage. Dann ist das Gelände auch Nicht-Mitgliedern zugänglich. Aber auch sonst sagen Jochen Korth und seine Mitstreiter selten nein, wenn jemand Lust auf eine einmalige Zugfahrt in Zeitlupe hat. Geteilte Freude ist schließlich doppelte Freude.

(RP)
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