Düsseldorf Neue Vorwürfe gegen Herz-Spezialisten

Düsseldorf · Britische Forscher haben 48 Studien des ehemaligen Düsseldorfer Kardiologen Bodo-Eckehard Strauer untersucht. Sie kritisieren, dass Strauer bei seinen einst gefeierten Stammzellversuchen fehlerhaft gearbeitet hat.

 An der Düsseldorfer Uniklinik, wo Bodo-Eckehard Strauer die Kardiologie leitete, geht man dem Verdacht des Fehlverhaltens nach.

An der Düsseldorfer Uniklinik, wo Bodo-Eckehard Strauer die Kardiologie leitete, geht man dem Verdacht des Fehlverhaltens nach.

Foto: werner Gabriel

Einst galt Bodo-Eckehard Strauer als Pionier auf dem Gebiet der Stammzelltherapie. Nun gibt es erneut schwere Vorwürfe gegen den langjährigen Leiter der Kardiologie am Düsseldorfer Universitätsklinikum: Britische Forscher schreiben im Fachmagazin "International Journal of Cardiology", dass sie in Strauers Studien zahlreiche Fehler und Ungereimtheiten entdeckt hätten. Mehr als 200 Widersprüche wollen die Kardiologen Darrel Francis und Graham Cole sowie der Biologe Michael Mielewczik in den Veröffentlichungen von Strauers Arbeitsgruppe gefunden haben.

Strauer war 2001 auf einen Schlag bekannt geworden: Damals hatte er am Düsseldorfer Universitätsklinikum weltweit zum ersten Mal einen Herzinfarktpatienten mit körpereigenen Stammzellen behandelt. Dabei hatte er einem 46-jährigen Patienten Knochenmarkzellen aus dem Beckenkamm entnommen, aufbereitet und per Ballonkatheter in die Herzkranzgefäße nahe des vernarbten Infarktgewebes gespritzt. Wenige Monate nach dem Eingriff teilte Strauer der Presse mit, dass der Eingriff von Erfolg gekrönt gewesen sei: Die Infarktgröße habe sich um fast 35 Prozent verringert, die Herzleistung verbessert.

Für seine Arbeit bekam Strauer aus der Politik Unterstützung: Die Diskussion über den umstrittenen Einsatz embryonaler Stammzellen kochte zu der Zeit hoch, und Strauers Methode mit so genannten adulten Stammzellen schien die ethisch vertretbare Alternative zur Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryos zu sein. Es gab aber auch Kritik und Zweifel an der Heilmethode aus Düsseldorf und an der Seriösität Strauers, der nach der Behandlung eines einzelnen Patienten bereits von einer "Weltsensation" sprach.

Die Kritik, die das britische Forscherteam nun gegen Bodo-Eckehard Strauer und seine Arbeitsgruppe erhebt, ist scharf. Das Team um den auf einem anderen Feld tätigen Kardiologen Darrel Francis vom Imperial College in London will bei der Untersuchung von 48 Studien eine Reihe von Mängeln und Unstimmigkeiten festgestellt haben. Die Arbeiten Strauers enthielten Ungereimtheiten, Ungenauigkeiten und Beschönigungen, behaupten sie. Daten seien doppelt verwendet worden und es gebe Rechenfehler. Ob es Placebo-Kontrollen gegeben habe, sei nicht mit Gewissheit zu sagen. Strauers Ergebnisse seien "wegen eines Minenfelds von Widersprüchen nahezu uninterpretierbar", so die Forscher.

Hinter der Kritik aus London vermutet Strauer persönliche Gründe. Auf Anfrage unserer Zeitung teilt sein Rechtsanwalt mit: "Der Hauptautor ist ein Biologe, der meinen Mandanten seit langem zwanghaft mit vermeintlichen Enthüllungen, Anzeigen und Schmähschriften verfolgt. Für seine Abrechnung hat er ein persönliches Motiv: Einer seiner Angehörigen war Patient bei einer früheren Mitarbeiterin meines Mandanten. Seither arbeitet sich der Autor als Fachfremder nun obsessiv an einem medizinischen Thema und vor allem an meinem Mandanten ab. Dass seine Vorwürfe konstruiert sind, kritisieren inzwischen auch echte Fachleute."

Tatsächlich wird der Verriss aus London seinerseits von Forschern kritisiert, wie das US-Magazin "Forbes" berichtet. Darrel Francis unterscheide nicht zwischen schwerwiegenden und unerheblichen Mängeln und konzentriere sich bei seiner Überprüfung der Stammzelltherapie für das Herz zu sehr auf Strauer und seine Arbeitsgruppe, die aus seiner Sicht federführend auf dem Gebiet sei.

Es gibt aber auch andere Meinungen. Erland Erdmann, langjähriger Leiter des Lehrstuhls für Innere Medizin an der Universität Köln, sagte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Wissenschaftler die "Studien Strauers sehr genau überprüft haben". Die Fehler und Ungereimtheiten, von denen die Wissenschaftler schreiben, hätten ihn "erschüttert". Bislang gebe es "keine gesicherten Ergebnisse" über die Wirksamkeit von Strauers Methode, so Erdmann.

Die Frage, ob Bodo-Eckehard Strauer wissenschaftlich unsauber gearbeitet hat, ist seit Ende 2012 auch Gegenstand einer internen Untersuchung an der Düsseldorfer Universitätsklinik. Daten mehrerer Hundert Patienten aus zehn Jahren seien inzwischen aufbereitet worden, sagte Sprecherin Susanne Dopheide auf Anfrage unserer Zeitung. Die Daten sollen in Kürze einer externen Kommission zur Bewertung übergeben werden.

Aufgefallen waren Unklarheiten, als der Sohn eines Patienten um Auskunft gebeten hatte. Seither läuft das interne Verfahren wegen des Verdachts des wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegen den ehemaligen Chef der Kardiologie, Bodo Eckehard-Strauer.

(RP)
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