Interview "Note Eins für Düsseldorfs Finanzen"

Düsseldorf · Heiner Cloesges vom Steuerzahlerbund NRW verfolgt seit vielen Jahren öffentliche Haushalte. Die Schuldenfreiheit der Landeshauptstadt sei ein wichtiger Standortfaktor, weil sie Handlungsspielraum eröffne. Die rot-grüne Debatte um "rentierliche Schulden" bezeichnet er als bizarr.

 „Schuldenfreiheit kann eine Kommune auch viel gelassener bei Schwankungen auf den Finanzmärkten machen“, sagt Heiner Cloesges (59), beim Bund der Steuerzahler Leiter der Fachabteilung Haushalt und Steuern.

„Schuldenfreiheit kann eine Kommune auch viel gelassener bei Schwankungen auf den Finanzmärkten machen“, sagt Heiner Cloesges (59), beim Bund der Steuerzahler Leiter der Fachabteilung Haushalt und Steuern.

Foto: Thomas Bußkamp

Herr Cloesges, ganz ehrlich: Wann haben sie zuletzt Geld verschwendet?

Cloesges (lacht) Als Funktionär beim Bund der Steuerzahler bin ich natürlich darauf getrimmt, auch privat meine Finanzen in Ordnung zu halten. In unserer Familie gibt es zwei Einkommen, wovon eines dafür verwendet wird, unseren Söhnen das Studium zu finanzieren. Das ist meiner Ansicht nach eine rentierliche Investition, und ich hoffe, dass es nicht zum Studienabbruch und damit zur Verschwendung von Geldern kommt.

Am Donnerstag bringen OB Elbers und Kämmerer Abrahams den Haushaltsentwurf für 2012 in den Rat ein. Er wird zum 13. Mal in Folge ausgeglichen sein. Sind Sie zufrieden mit der Stadt Düsseldorf?

Cloesges Der Kurs bei Finanzen reicht eigentlich schon in die 90er Jahre zurück, nämlich, nur mit den vorhandenen Mitteln die Ausgaben zu finanzieren und nicht mehr Schulden zu machen. Dieser Kurs wird bis heute fortgesetzt — zum Wohle der Bürger. Als Zeugnisnote muss man dafür eine glatte Eins vergeben.

Düsseldorf ist seit drei Jahren schuldenfrei. Wie wichtig ist das?

Cloesges Außer Düsseldorf ist in Deutschland nur noch Dresden als Großstadt schuldenfrei. Die Schuldenfreiheit eröffnet einen sehr großen Handlungsspielraum im Vergleich zu Städten in der Haushaltssicherung, die den Vorgaben der Aufsichtsbehörde unterliegen. Schuldenfreie Kommunen müssen keine Zinsen für Kredite zahlen und haben dieses Geld für andere Dinge zur Verfügung. Düsseldorf musste vor zehn Jahren 85 Millionen Euro nur für Zinsen zahlen, diese Summe kann nun jedes Jahr anderweitig verwendet werden.

Gibt es weitere Vorteile?

Cloesges Natürlich. Schuldenfreiheit bietet auch einen Wettbewerbsvorteil im Rennen um Ansiedlungen. So kann zum Beispiel — was Düsseldorf mehrfach getan hat — der Hebesatz für Gewerbesteuer gesenkt werden. Der finanzielle Spielraum ermöglicht auch, weiche Standortfaktoren wie Soziales oder Kultur zu stärken. Und Schuldenfreiheit kann eine Kommune auch viel gelassener bei Schwankungen an den Finanzmärkten machen.

Weshalb?

Cloesges Würden etwa Eurobonds, also Staatsanleihen, für die alle EU-Mitgliedstaaten gesamtschuldnerisch haften, eingeführt, würde die Kreditwürdigkeit Deutschlands sinken. Steigt infolgedessen der Zinssatz um zwei Prozentpunkte, müsste das Land in NRW 3,5 Milliarden Euro mehr Zinsen zahlen als heute. Solchen Entwicklungen kann Düsseldorf gelassener zusehen.

Düsseldorf ist ja nur rechnerisch schuldenfrei. Es gibt noch niedrig verzinste Kredite in Höhe von etwa 100 Millionen Euro. Wie finden Sie das?

Cloesges Nicht schlimm, denn es wäre unklug, diese Kredite für viel Geld abzulösen.

Die rot-grüne Opposition im Rat kritisiert, dass für die Schuldenfreiheit "Tafelsilber" wie RWE-Aktien und Stadtwerke-Anteile verkauft wurde. War das falsch?

Cloesges Man hat Tafelsilber verkauft, vorher aber eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt. Und es war wirtschaftlicher, Teile des Tafelsilbers zu verkaufen als darauf sitzenzubleiben. Hinzu kam, dass die Steuereinnahmen zu der Zeit stiegen und der frühere Kämmerer Herbert Vogt der Stadt ein enges Finanzkorsett angelegt hatte.

In guten Zeiten hat das Rathaus Rücklagen gebildet. Ist es richtig, jetzt davon zu zehren?

Cloesges Die Landeshauptstadt verhält sich wie jeder vernünftige Privatmensch. Ich muss meine Reserven anzapfen, wenn es die Situation erfordert. Dafür sind sie ja da.

SPD und Teile der Grünen wären bereit, Schulden aufzunehmen — für günstigen Wohnraum oder Schulsanierungen. Gibt es gute Schulden?

Cloesges Das ist so ziemlich der größte Quatsch, den man sich ausdenken kann. Die rot-grüne Landesregierung argumentiert ähnlich, will in Bildung investieren, um später weniger Arbeitslose und Sozialausgaben zu haben. Das klingt wunderbar, diese Gleichung ist aber sehr risikoreich. Solche bizarren Theorien scheinen offenbar auf Rot-Grün im Rat abzufärben.

Gibt es rentierliche Investitionen?

Cloesges Ja, zum Beispiel beim Kanalnetz. Da weiß man aber genau, dass man die Investitionen in einigen Jahren über die Gebühren der Bürger refinanzieren kann. Doch wie soll das im Schulbereich oder bei preiswertem Wohnraum funktionieren. Über Schulgeld? Über höhere Mieten? Das grenzt wirklich an Populismus. Wenn man Prioritäten setzen will, muss man auch sagen, wo man etwas streichen will. An diesem Prozess sollte man die Bürger beteiligen.

Inwiefern?

Cloesges Die Stadt Essen zum Beispiel will 2015 einen ausgeglichenen Haushalt haben. Die Bürger können über ein Online-Votum selber Sparvorschläge machen. Solch ein Verfahren würde ich mir auch in Düsseldorf wünschen.

SPD und Grüne halten die 300-Millionen-Euro-Investition in den Kö-Bogen für überflüssig. Zu Recht?

Cloesges Meiner Ansicht nach wird dabei zu sehr über Details diskutiert. Der Kö-Bogen ist eine sehr positive, große städtebauliche Maßnahme, die viel kostet, aber auch ungeahnte Möglichkeiten bietet. Wichtig ist nur, große Transparenz bei den Kosten zu schaffen. Wir sind vorsichtig geworden, denn die Untertunnelung des Rheinufers hatten wir kritisch gesehen und lagen damit nicht ganz richtig.

Düsseldorf in zehn Jahren: Was wünschen Sie sich?

Cloesges Dass die Stadt schuldenfrei bleibt und weitere Liquiditätsreserven aufbaut. Mein ganz persönlicher Wunsch ist, dass es dann weniger Baustellen gibt und wieder etwas Ruhe am Ort einkehrt.

Denisa Richters führte das Interview.

(RP)
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