Geplantes IS-Attentat in Düsseldorf Saleh A. erhielt Auftrag für Anschlag angeblich erst in Deutschland

Am Montag hat der Hauptangeklagte über seine Zeit im Umerziehungslager des IS in Syrien gesprochen. Und über den Zeitpunkt, wann er den Auftrag für den Anschlag erhalten haben soll. Die Richter zweifelten an seinem Verhältnis zur Wahrheit.

Immer wieder beteuert Saleh A. (30), er sage die Wahrheit. Jetzt, vor Gericht, erzähle er endlich die wahre Geschichte, die hinter den Anschlagsplänen für die Düsseldorfer Altstadt steckt. Doch der Senat um die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza hat Zweifel. Zu oft hat der Hauptangeklagte in seinen Vernehmungen Geschichten erfunden.

Seit sechs Verhandlungstagen sagt der Hauptangeklagte bereits ununterbrochen aus. Er und zwei weitere Männer sind vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht angeklagt, weil sie in der Düsseldorfer Altstadt ein Selbstmord-Attentat verüben wollten. Das jedenfalls wirft ihnen der Bundesanwalt vor. Die Pläne flogen nur auf, weil Saleh A. sich im Februar 2016 in Paris den Behörden stellte.

Prozess wegen geplantem IS-Attentat in Düsseldorf beginnt
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Foto: dpa, mku axs

Der 30-Jährige erscheint in zerrissenen Jeans, schwarzem T-Shirt und Turnschuhen. Zwischendurch braucht er Raucherpausen. Das Rauchen hat der IS ihm nicht abgewöhnt, obwohl es die Terrormiliz versucht hat.

Je mehr Saleh A. erzählt, desto mehr erscheint er als Opportunist. Und auch sein Verhältnis zur Wahrheit erscheint opportunistisch. Je nachdem, was man ihm für seine Aussagen anbietet, rückt Saleh A. mit der Sprache heraus — oder eben nicht. Den Ermittlern in Frankreich erzählte er andere Dinge, als er nun vor Gericht aussagt. Weil die französischen Fahnder ihm falsche Versprechungen gemacht hätten, wie er meint. Sie hätten ihm gesagt, er könne seine Frau und sein Kind nach Europa holen und müsse auch nicht lange ins Gefängnis. Doch das sei alles Betrug gewesen, meint Saleh A..

Die Geschichten, die er dem Senat nach und nach erzählt, klingen allesamt, als stammten sie aus einem Spionagethriller. Saleh A. erzählt von seiner angeblichen Rolle als Doppelagent in Syrien. Dort will er für die Truppen Baschar al-Assads den IS und für den IS die Truppen des Regimes ausspioniert haben — unter Einsatz seines Lebens. Mitte Juli hatte er bereits seine beiden Mitangeklagten entlastet, sie hätten mit den Anschlagsplänen nichts zu tun gehabt. In Frankreich habe er sie absichtlich beschuldigt, nun nimmt er alles zurück.

Mahood B. (26) kann den Gerichtssaal inzwischen wieder als freier Mann betreten, er kann die Raucherpausen gemeinsam mit seinen Verteidigern außerhalb des Hochsicherheitstraktes des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes verbringen — und er kann in der Mittagspause zu McDonald's gehen. Hamza C. (28) soll zwar nach A.s Aussage mit den Anschlagsplänen nichts zu tun gehabt haben, muss aber vorerst hinter der Panzerglasscheibe sitzen bleiben.

Den Auftrag für den Anschlag will Saleh A. erst erhalten haben, als er schon in Deutschland war. Er war 2015 als Flüchtling nach Deutschland eingereist. In Syrien habe es 2014 zwar bereits die Idee zu dem Anschlag gegeben, doch die konkreten Pläne für die Düsseldorfer Altstadt seien erst in Deutschland entstanden. Saleh A. sagt aus, er sei vom Mann seiner Schwester, einem hohen Tier beim IS, dazu überredet worden.

Der Hauptangeklagte erzählt am Montag auch von seiner Zeit im Umerziehungslager des IS von Februar 2014 bis April 2014. Er habe das Lager zweimal absolvieren müssen. Warum, will die Richterin wissen. "Weil ich nicht mit dem Rauchen aufgehört habe beim ersten Mal", erzählt A.. Beim zweiten Mal habe er einfach heimlich geraucht. A. erzählt, dass die Lagerteilnehmer religiös und ideologisch indoktriniert worden seien. Ihnen soll außerdem erklärt worden sein, wer nach IS-Lesart zu den "Ungläubigen" gehöre und wem man den Kopf abschlagen dürfe.

Ob er denn nach dem Lager von der Ideologie des IS überzeugt gewesen sei, will die Richterin wissen. "Zu 50 Prozent, ja", erklärt A.. Aber wenn er sich die Gesetze hier in Europa anschaue, nach eineinhalb Jahren im Gefängnis, dann sei er mittlerweile zu 80 Prozent vom IS überzeugt.

Punkt für Punkt hält die Vorsitzende Richterin dem Hauptangeklagten seine Aussagen gegenüber den Ermittlern vor. Sie hangelt sich von Satz zu Satz, von Datum zu Datum. Dabei kommt heraus, dass Saleh A. offenbar oft nur die Halbwahrheit sagt. Einzelheiten stimmen, doch die Orte, Daten und Personen setzt er für seine Aussagen so zusammen, wie es ihm passt, scheint es. Warum immer diese Unwahrheiten?, fragt die Richterin wiederholt. Saleh A. druckst herum. Er wolle das Gericht nicht beleidigen, er wolle keine älteren Personen beleidigen. Das pikiert die Richterin offensichtlich. Da schiebt er schnell nach: "Ich habe das Gefühl, Sie richten über Baschar al-Assad oder den IS." "Wenn mir Assad hier gegenüber säße, würde ich ihn genauso behandeln", entgegnet Havliza.

Ein anderes Mal redet sich A. in Rage. "Ich komme mir vor wie in einer mexikanischen Soap." Das sagt er über seine Vernehmungen in Frankreich und Deutschland. "Die Franzosen haben mir die Worte in den Mund gelegt, irgendwann hatte ich kein Vertrauen mehr in die Leute, die mich vernommen haben." "Wie soll ich da überzeugt sein, dass sie mir vertrauen und mir die Wahrheit sagen?", fragt die Richterin zurück. "Langsam komme auch ich mir wie in einer mexikanischen Soap vor."

(heif)
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