Düsseldorf Prozess um Kantholz-Fall soll endlich starten

Düsseldorf · Ein 44-Jähriger wurde im Oktober 2013 tödlich verletzt. Gegen den heute 19-jährigen Verdächtigen wird noch nicht verhandelt. Der Anwalt der Tochter des Opfers droht damit, das Land wegen überlanger Verfahrendauer zu verklagen.

Haltestelle "An der Piwipp" in Düsseldorf: Mann mit Vierkantholz geschlagen
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Haltestelle "An der Piwipp" in Düsseldorf: Mann mit Vierkantholz geschlagen

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Foto: Bretz, Andreas

Schweres Geschütz fährt der Opfer-Anwalt im sogenannten Kantholz-Fall gegen eine Jugendstrafkammer des Landgerichts auf. Mit einem Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin sowie der Androhung, das Land wegen überlanger Verfahrensdauer auf Entschädigung zu verklagen, will der Anwalt das Gericht dazu zwingen, mehr als zweieinhalb Jahre nach dem gewaltsamen Tod eines 44-Jährigen in Unterrath endlich den Totschlags-Prozess gegen einen inzwischen 19-jährigen Tatverdächtigen zu beginnen. Die Jugendkammer hat für eine Verhandlung bisher nicht mal einen Termin im Visier. Das hält der Opfer-Anwalt, der für die Tochter des Getöteten auftritt, für unzumutbar.

Im Oktober 2013 hatte der damals 17-Jährige den Vater der Nebenklägerin tödlich verletzt. In einer Rheinbahn waren damals drei Jugendliche mit dem angetrunkenen 44-Jährigen in Streit geraten, der sich über ihre laute Musik geärgert hatte. Als die jungen Männer den Zug an der Haltestelle "An der Piwipp" verließen, kam der 44-Jährige ihnen hinterher. Angeblich soll er mit einem Gürtel nach einem der Jugendlichen geschlagen haben.

Fakt ist: Schon vor dem Ausstieg hatte der 17-Jährige ein zufällig in der Bahn liegendes Kantholz mitgenommen, um sich später gegen mögliche Angriffe verteidigen zu können, sagte er. Mit jenem Holzstück fügte er dem 44-Jährigen dann tödliche Verletzungen zu. Die Staatsanwaltschaft ging zunächst von Notwehr des Jugendlichen aus - auch, weil sich keiner der anderen Passagiere als Zeuge meldete. Angeblich habe niemand etwas gesehen. Erst durch ihren Anwalt Wolfgang Steffen gelang es der Tochter des Getöteten doch noch, im Mai 2015 die Erhebung einer Totschlags-Anklage gegen den Jugendlichen zu erreichen.

Seitdem dümpelt der Fall bei der Jugendstrafkammer. Die Vorsitzende Richterin habe nach Darstellung von Anwalt Steffens erst erklärt, andere (Haft)-Sachen müssten vorrangig verhandelt werden. Als der Opfer-Anwalt eine Verzögerungsrüge erhob und beim Landgericht um die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer bat, habe er jedoch erfahren, dass jene Jugendkammer nicht nur Haft-Sachen zu verhandeln hat, also solche Verfahren, bei denen der Beschuldigte in Haft ist.

Anwalt Steffen hat die Richterin daraufhin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt - wegen "Verweigerung eines rechtsstaatlichen Verfahrens". "Meine Mandantin muss davon ausgehen, dass sich die Richterin von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt und auch von Seiten des Gerichts gewisse Vorbehalte gegen dieses Verfahren bestehen", so der Anwalt. Über den Antrag war bis gestern noch nicht entschieden. Das Gericht wies aber darauf hin, dass das Präsidium ab Jahresanfang genau jene Jugendkammer extra von Verhandlungen in Haft-Sachen befreit habe - um Raum und Zeit für die Richter zu schaffen, ihre Alt-Fälle abzuarbeiten.

Doch welche Reihenfolge dabei gültig ist, bleibt der Kammer überlassen. Die Richterin hat bisher nicht mal angedeutet, wann der "Kantholz-Fall" zur Verhandlung kommen könnte. "Wir werden völlig im Unklaren gelassen, haben keinerlei Perspektive", rügt Opfer-Anwalt Steffen. Er wirft der Richterin eine "mangelnde Förderung des Verfahrens" vor und hat daher angekündigt, beim Oberlandesgericht (OLG) eine Entschädigungsklage gegen das Land einzureichen.

(RP)
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