Düsseldorf Pulsierende Hose statt Bypass-Operation

Düsseldorf · Über Druckimpulse in der "Herzhose" soll mehr Blut durch die feinen Gefäße im Herzen gepumpt und so nach und nach die Durchblutung des Herzens verbessert werden. Die Therapie wird landesweit nur am Augusta-Krankenhaus angeboten.

 Chefarzt Rolf Michael Klein erklärt dem Patienten Siegfried Reimann anhand eines Herzmodells, wie über die Druckluftmanschetten an den Beinen die Ausbildung neuer Blutgefäße im Herzen gefördert werden soll.

Chefarzt Rolf Michael Klein erklärt dem Patienten Siegfried Reimann anhand eines Herzmodells, wie über die Druckluftmanschetten an den Beinen die Ausbildung neuer Blutgefäße im Herzen gefördert werden soll.

Foto: Andreas Bretz

Bis vor wenigen Wochen hat Siegfried Reimann mit seiner Angina pectoris noch in einer Sackgasse gesteckt. Weil seine Herzkranzgefäße verengt sind, wird sein Herzmuskel nicht ausreichend mit Blut und damit auch nicht mit genügend Sauerstoff versorgt. Die Folge: Schmerzen im Brustraum und Atemnot. Um daran etwas zu ändern, hätte der 71-Jährige Sport treiben und so die Schubkraft im Herzen ankurbeln müssen. Doch schon das Treppensteigen fiel ihm schwer: Dann musste er gleich mehrmals zu einem speziellen Spray greifen, das die Herzkranzgefäße weitete und somit die Durchblutung des Herzens verbesserte.

"Seit einigen Wochen geht es mir aber besser. Ich habe nicht mehr so schnell Atemnot und muss auch viel seltener zu meinem Nitro-Spray greifen", sagt Siegfried Reimann. Am Augusta-Krankenhaus schlüpft er seit kurzem mehrmals die Woche für circa eine Stunde in eine sogenannte Herzhose, an die mehrere Schläuche angeschlossen sind und die mit Manschetten ausgestattet ist, die stoßweise mit Luft vollgepumpt und entleert werden. Drückt der Chefarzt für Kardiologie, Rolf Michael Klein, einen Knopf an der dazugehörigen Apparatur, hört man Piff-paff-Geräusche: Dann werden im Rhythmus von Riemanns Herzschlag Druckimpulse ausgelöst, die seinen Unterkörper im Sekundentakt aufbäumen und erschlaffen und so helfen, das Blut aus den Beinen in Richtung Oberkörper fließen zu lassen. Mit einem EKG-Gerät wird der Herzrhythmus die ganze Zeit kontrolliert.

"Diese neue Therapieform kann für Patienten mit chronisch koronarer Herzkrankheit und Gefäßverschluss, bei denen eine Behandlung mit Bypass oder Stent nicht möglich ist, eine sanfte Alternative sein", sagt Klein. Denn traditionell greifen Ärzte zum Skalpell, um verstopfte Gefäße zu überbrücken: Sie entnehmen irgendwo im Körper ein entbehrliches Stück Vene und nähen es als chirurgischen Bypass fest. Oder sie dehnen das Herzkranzgefäß mit einem Ballonkatheder auf und halten des Gefäß mit einem Stent offen.

Bei der an der Berliner Charité entwickelten Therapie, die bislang NRW-weit nur am Augusta-Krankenhaus des Verbunds Katholischer Kliniken angeboten wird, nutzen Ärzte wie Rolf Michael Klein ein bio-physikalisches Phänomen aus, das vor einigen Jahren entdeckt worden war. Neben den großen Arterien verlaufen kleine Gefäße (Kollaterale). Wird eine große Arterie nach und nach enger, sucht sich das Blut neue Wege. Durch die Herzhose werden die feinen Gefäße des Herzens durch eine kontrollierte Schubkraft des Blutes "trainiert" und so geweitet: Mehr Blut fließt durch die Kollateralen, sie weiten sich nach und nach und können sich sogar in vollwertige Arterien verwandeln. Diesen Prozess bezeichnet man als Bio-Bypass.

Diesen natürlichen Heilungsprozess müsse man im Körper eines Patienten nur aktivieren, sagt Chefarzt Rolf Michael Klein. Schon nach wenigen "Sitzungen" verspürten Patienten in der Regel eine Besserung. "Doch die Behandlung ist als Anschub-Therapie zu verstehen. Patienten wie Siegfried Reimann können - und müssen auch - im Anschluss regelmäßig Sport treiben." Dann könne die Herzhose für Menschen wie Reimann ein Ausweg aus der Sackgasse sein.

(semi)
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