Jehoschua Ahrens Rabbiner wollen stärkere Annäherung

Düsseldorf · Christen und Juden betonen gemeinsame Werte. Eine Gruppe orthodoxer Rabbiner sieht sich mit dem Vatikan auf einem gemeinsamen Weg.

 Rabbi Jehoschua Ahrens sagt: "Die Grenzen verlaufen nicht mehr zwischen Christen- und Judentum, sondern zwischen religiös und säkular."

Rabbi Jehoschua Ahrens sagt: "Die Grenzen verlaufen nicht mehr zwischen Christen- und Judentum, sondern zwischen religiös und säkular."

Foto: Anne Orthen

Herr Ahrens, mit 24 führenden Rabbinern aus der ganzen Welt, die sich zum orthodoxen Judentum rechnen, fordern Sie eine engere Partnerschaft von Juden- und Christentum. Dazu haben Sie eine Erklärung veröffentlicht. Was steht drin?

Ahrens Bahnbrechendes. Wir gehen weiter als jedes bislang bekannte Statement zu diesem Thema. Wir sagen: Das Christentum ist kein "fremder Kult", Jesus hat geholfen, den Glauben an den Gott Israels zu verbreiten. Und wir fordern, eine echte Partnerschaft zwischen Christen- und Judentum auf Basis der vielen Gemeinsamkeiten im moralisch-ethischen Bereich.

Warum fordern Sie das gerade jetzt?

Ahrens Alleine können wir die Herausforderungen unserer globalisierten und säkularisierten Welt nicht bewältigen. Gemeinsam geht es besser. Die Grenzen verlaufen heute nicht mehr zwischen Christen- und Judentum, sondern zwischen religiös und säkular, zwischen Individualismus ohne Grenzen und einem Zusammengehörigkeitsgefühl auf Grundlage klarer Werte.

Welche Werte sind das?

Ahrens Gott in die Gesellschaft bringen, den Wert des Lebens betonen, Familie, Gerechtigkeit, Frieden und Liebe statt Hass.

25 Rabbiner sind im Weltmaßstab nicht viel. Was sagen Sie Juden, denen ihre jetzt propagierte Annäherung zu weit geht?

Ahrens Wir nehmen nicht in Anspruch, eine Mehrheit innerhalb des orthodoxen Judentums zu repräsentieren. Aber die Unterzeichner sind intensiv im christlich-jüdischen Dialog engagiert. Wir liefern einen Denkanstoß, sehen uns als Speerspitze bei Neubestimmung und Weiterentwicklung des Verhältnisses von Christen und Juden.

Wie kommen Sie als Düsseldorfer Rabbi in den Kreis der Unterzeichner?

Ahrens Den konkreten Anstoß gab es im Mai bei einer katholisch-jüdischen Konferenz in Galiläa, an der ich teilgenommen habe. Unsere Erklärung ist sozusagen die Ergänzung zu dem gestern im Vatikan vorgestellten Studiendokument, mit dem die vor 50 Jahren angestoßene Aussöhnung fortgeschrieben werden soll. Einer unserer Unterzeichner war gestern in Rom zugegen und hat sich auch geäußert.

Sie sehen Christen und Juden mehr denn je Seite an Seite. Aber wie ist der Alltag hier in Düsseldorf? Was passiert Ihnen oder anderen, die mit der Kippa durch die Stadt laufen?

Ahrens Düsseldorf ist toleranter und offener als viele andere deutsche und europäische Städte. Und doch müssen sich Kippa-Träger böse Beschimpfungen gefallen lassen. Und die kommen keineswegs nur von Muslimen mit Wurzeln in Nahost. Es ist noch nicht bei allen angekommen, dass es auch hier ein Erstarken des Antisemitismus gibt.

Aber Bewegungen wie "Dügida" finden keine Resonanz bei den Bürgern.

Ahrens Das ist so. Hier im Rheinland hat man verstanden, dass solche Gruppen nur vorgeben, die christlich-abendländische Tradition zu verteidigen, tatsächlich aber ein Menschenbild propagieren, das gerade nicht darin wurzelt.

Wie kann die christlich-jüdische Zusammenarbeit besser werden?

Ahrens Auf der Ebene von Stadt, Institutionen und "Offiziellen" läuft das in Düsseldorf sehr gut. Mit Blick auf die Kontakte an der Basis gibt es sicher noch Luft nach oben.

Und ein gemeinsamer Gottesdienst?

Ahrens Wir wollen uns annähern, gemeinsam für unsere Werte kämpfen, aber nicht die Kultusformen vermischen. Eigene Identität ist wichtig. Dabei soll es bleiben.

JÖRG JANSSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(jj)
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