Düsseldorf Der Wien-Botschafter vom Fürstenplatz

Düsseldorf · Der Österreicher Toni Demiri serviert in Friedrichstadt Heißgetränke in der Tradition seiner Heimat.

 Die Sachertorte bei Toni Demiri wird nach einem Rezept aus der Kaiserzeit gebacken. "Und Kaffee ohne ein Glas Wasser gibt es nicht", sagt der 48-Jährige.

Die Sachertorte bei Toni Demiri wird nach einem Rezept aus der Kaiserzeit gebacken. "Und Kaffee ohne ein Glas Wasser gibt es nicht", sagt der 48-Jährige.

Foto: Andreas Endermann

Und plötzlich grüßt der freundliche Meister Propper. Diese Erfahrung machen neuerdings die Anwohner des Fürstenplatzes, wenn sie an dem Café vorbeilaufen, das in den vergangenen Jahren für seltsame Konzepte mit sehr spärlichem Erfolg berüchtigt war. Das einzige, das beim neuen Inhaber, Toni Demiri, spärlich ist, ist das Haupthaar. "Grüß Gott, ich wünsch' Euch einen schönen Tag", ruft er zwei Vorbeilaufenden zu. Abends fühlt er mit einer jungen Frau, die auf dem Heimweg ist: "Solange mussten sie arbeiten, Frau Nachbarin? Das tut mir leid."

Demiri ist die Herzlichkeit auf zwei Beinen und eine Entdeckung in seinem Viertel. Der Fürstenplatz lebt in einem Widerstreit. Einerseits gibt es Kneipen, die wirken, als säßen die Gäste dort bereits seit mehreren Jahren, und Menschen, die Altglas-Entsorgern am Container eine fachkundige Pfandberatung erteilen. Auf der anderen Seite gehören zum Fürstenplatz inzwischen eine Reihe von Bars und Restaurants, die in Trendführern gelistet sind, und Menschen, die annehmen, mit Segelschuhen würden sie auch einen Trend setzen.

Toni Demiri passt weder auf die eine noch die andere Seite. Seine Coolness ist seine Bodenständigkeit, sein Traditionsbewusstsein beschert dem Viertel jede Menge Zukunftsträchtiges. Der 48-Jährige hat sein Café "Botschaft" genannt, weil er eine solche aus Österreich in die Landeshauptstadt mitgebracht hat. Er berichtet von der Kaffeetradition Wiens, den Rezepten der Kaiserzeit und den Qualitätsansprüchen des Helmut Sachers'.

Der Weg dorthin zum Fürstenplatz, zum eigenen Café, zum Botschafter, war ein höchst seltsamer. Weil Demiris Tochter Japanische Wissenschaften studieren wollte und dies in Düsseldorf möglich war, verließ die ganze Familie die Heimat Kärnten. Das Oberhaupt hatte dort mehr als 25 Jahre als Barkeeper und Wirt gearbeitet, nun wollte er in der rheinischen Wahlheimat ein neues Lokal finden. Eigentlich hatte er die Altstadt im Sinn, entdeckte dort aber nichts, das ihm gefiel. Zum Glück übernachtete er in einem der Hotels am Fürstenplatz, so stieß er auf das Café, dessen Inhaber nicht mit all zu vielen glücklichen Händen gesegnet war. Demiri übernahm.

Parallel dazu kam der Kärntner mit der Familie Sachers in Wien in Kontakt. Er besuchte sie, blieb gut zwei Wochen und lernte sehr viel über Kaffee und Tee, Torten und Schokolade, Maschinen und Brühverfahren. Seitdem darf Demiri als erster Gastronom in Düsseldorf den "Helmut Sachers Kaffee" servieren. Großstädter, die inzwischen alle urbanen Heißgetränke-Abkürzungen ("Einen Lamasomitogo, bitte") beherrschen, müssen in der "Botschaft" neu lernen. Melange ist noch relativ einfach, es gibt aber auch einen Verlängerten oder einen Kleinen Braunen - immer mit einem Glas Wasser, immer mit einer anderen Überraschung. Drita Demiri legt jeden Tag etwas anderes Selbstgemachtes neben die Tasse: einen Windbeutel, eine Rumkugel, ein Stückchen Stollen.

Wer größeren Hunger mitbringt, lernt, was eine Brettljause ist: eine auf Holz servierte Zusammenstellung von Hüttenbrot und Kärntner Aufschnittspezialitäten. Oder lernt, wie Sachertorte nach dem uralten österreichischen Rezept schmeckt. Nach viel selbstgemachter Aprikosen-Marmelade. An dieser Stelle hat die Herzlichkeit schon wieder zwei Beine. Denn, wenn Gäste mit Kindern kommen, taucht Drita Demiri aus der Küche mit einem Teller voller Apfelstücke und Kekse auf.

Die Nachbarn mögen Toni Demiri ganz offenbar so gerne wie er sie. Für Samstag hat er den ersten Adventsmarkt am Fürstenplatz organisiert. Der Wirt serviert Glühwein nach geheimem Rezept, von dessen zahlreichen Zutaten er ausschließlich Rotwein (Zwegelt) und Martini verrät. Fürs Gebackene sorgen die Frauen aus der Nachbarschaft.

(RP)
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