Esprit Arena in Düsseldorf Roger Waters lässt das umstrittene Schwein mit Davidstern fliegen

Düsseldorf · Um kurz nach zehn ließ Roger Waters das Schwein also durch die Esprit-Arena in Düsseldorf schweben, und natürlich suchten die meisten der 35.000 Fans nach dem umstrittenen Symbol.

Roger Waters spielt in Düsseldorfer Esprit Arena
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Roger Waters spielt in Düsseldorfer Esprit Arena

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Sie entdeckten den Davidstern tatsächlich rechts am Hals des aufblasbaren Tiers; der 70-jährige Mitbegründer der britischen Band Pink Floyd hatte trotz heftiger Proteste der jüdischen Gemeinde nicht auf dieses Detail seiner "The Wall"-Show verzichtet: Die geschmacklose Verbindung von Davidstern und Schwein blieb erhalten. Waters hatte dazu erklärt, das Symbol bezeichne in seinen Augen den Staat Israel, dessen Palästinapolitik er kritisieren wolle. Neben dem Stern waren die Logos der Firmen Shell und Mercedes sowie der islamische Halbmond, Hammer und Sichel und ein Kruzifix zu erkennen.

Waters hätte den Davidstern weglassen sollen, es wäre eine versöhnliche Geste gewesen, die die Botschaft des Auftritts nicht verwässert hätte, die nichts an der Aussage von "The Wall" geändert hätte, die da lautet, man solle allen Autoritäten misstrauen. Man könnte sogar sagen, dass Waters damit eher dem Geist dieses Abends entsprochen hätte. Denn den meisten Besuchern ging es weniger um Politik, sondern um Nostalgie, die zweieinhalbstündige Veranstaltung war ein Treffen derjenigen, die mit "The Wall" aufgewachsen sind. Vor Konzertbeginn hörte man viele der zumeist männlichen Besucher von Dortmund schwärmen, wo die Rockoper 1981 an sieben Tagen aufgeführt wurde. "Hast du die Eintrittskarte von damals noch?" - "Was denkst du denn!". Im Laufe des Abends sangen sie Waters sogar ein Geburtstagsständchen - der Musiker wurde an diesem Tag 70 Jahre alt.

Die Show in der Esprit-Arena begann eindrucksvoll. Die zwölf Meter hohe Mauer dehnte sich auf 150 Metern über die gesamte Längsseite der Arena, griff aus bis in die Zuschauerränge. Waters ließ als Ouvertüre den berühmten Dialog aus dem Film "Spartacus" einspielen, mit dem Kirk Douglas seine Gefährten um sich schart. "I am Spartacus", rufen sie schließlich - Schlachtruf der Gemeinschaft der Schwachen. Die ersten Takte von "The Wall" erklangen, als ein Porträt von Waters´ Vater auf die mächtige Leinwand über der Mauer projiziert wurde. Es folgten Bilder von Opfern von Terror und Krieg, und Waters machte keinen Unterschied zwischen Irakkrieg, Zweitem Weltkrieg und 11. September. Das wäre auch das Problem dieser Show, wenn man sie denn ernst nehmen würde: dass Waters verallgemeinert, die Komplexität der Gegenwart ordnen möchte und Gute und Böse zwanghaft zu unterscheiden versucht.

Es geht in "The Wall", dem Doppelalbum von 1979 um den Teenager Pink, der zwischen sich und der Welt eine Mauer erreichtet. Sein Vater fiel im Krieg, die Mutter quält ihn mit übertriebener Fürsorge, die Lehrer sind autoritär. Mit viel Theaterdonner, aber unheimlich effektiv inszenierte Waters in der ersten Hälfte die Paranoia, die Pink spürt: Feuerfontänen sprühen aus der Mauer, ein Jagdbomber rast durch die Halle, Suchscheinwerfer huschen über das Publikum, Schüsse knallen. Im Hintergrund wird die Mauer Stein für Stein in die Höhe gebaut. In der zweiten Hälfte, für die sich Waters in Ledermantel mit Armbinde kleidete, erinnerte dann eher an einen Sonderparteitag in Nordkorea.

Das war dennoch durchaus ein beeindruckender Abend, ebenso wichtig wie die opulente Inszenierung und der tadellose Sound war für das Gelingen das Publikum. Andächtig verfolgten die meisten das Geschehen auf der Bühne. "The Wall" ist ein Generationenwerk, das Welt-Nationaltheater des Rock; für Nachgeborene musikalisch schwächer als die Pink-Floyd-Großtaten "Dark Side Of The Moon" und "Wish You Were Here", für diejenigen, die 1979 jung waren, aber eine Herzensangelegenheit. Das Publikum war eine Gemeinschaft, es wusste, es würde diese Aufführung zum letzten Mal erleben, da wurde ein Kapitel der Biografie beendet, denn Waters hat angekündigt, "The Wall" solle nach dem letzten Konzert am 21. September in Paris nicht wieder aufgeführt werden.

Die schönsten Momente dieses Abends waren denn auch jene wenigen, in denen Waters auf den Bombast verzichtete und auf sein Genie vertraute, auf die Musik, die Songs. Nach dem Hit "Another Brick In The Wall pt. II" gab es so einen Moment. Waters stand alleine vor der Mauer, die siebenköpfige Band blieb stumm. Er war ein Mann mit Gitarre im rot gefärbten Lichtspot. Er sang ein neues Lied, das er Jean Charles de Menezes widmete, einem Brasilianer, der 2005 in der Londoner U-Bahn von Terrorfahndern erschossen wurde, weil sie ihn mit einem Verdächtigen verwechselt hatten. Es wurde ein zarter Song, man hätte gern mehr davon gehört. Diese eindringliche Darbietung deutete an, warum Pink Floyd noch immer so verehrt wird, warum sich "Dark Side Of The Moon" 40 Jahre nach Erscheinen noch immer 200000 Mal im Jahr verkauft, und warum Waters 2012 mit 88 Millionen Dollar der am zweitbesten verdienende Musiker der Welt war.

Irgendwann kam dann das Schwein, das eigentlich ein Eber ist. Er ist eine Variante des berühmten Schweins, das Pink Floyd seit 1977, seit ihrem Album "Animals" verwenden. Hätte Waters es einfach in der Requisite gelassen oder auf eine Beschriftung verzichtet, wäre das ein großer Konzertabend ohne Misstöne gewesen.

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