Düsseldorf Rollstuhlfahrer darf nicht in Diskothek

Düsseldorf · Weil es in der Nachtresidenz an der Königsallee Treppen und keine Aufzüge gibt, konnte ein 18-jähriger Rollstuhlfahrer nicht mit einer großen Gruppe von Abiturienten dort feiern. Der Betreiber begründet dies mit Sicherheitsfragen.

 Justus Wiemannsitzt seit einem Jahr im Rollstuhl. Er wollte mit einer großen Gruppe von Freunden in der Nachtresidenz feiern gehen, wurde aber nicht hereingelassen.

Justus Wiemannsitzt seit einem Jahr im Rollstuhl. Er wollte mit einer großen Gruppe von Freunden in der Nachtresidenz feiern gehen, wurde aber nicht hereingelassen.

Foto: Anne Orthen

Von alleine wäre Justus Wiemann überhaupt nicht auf die Idee gekommen, eine Diskothek zu besuchen. Denn seitdem er vor einem Jahr bei einem Unfall beide Beine verloren hat, sitzt der 18-Jährige im Rollstuhl. Aber dann hat er sich von seinen Mitschülern doch mitreißen lassen. Mit ihnen zusammen hatte er gerade den Abiball gefeiert. Und danach hatte sich die mehr als 100-köpfige Gruppe samt Lehrerin in der Diskothek Nachtresidenz auf der Kö angemeldet.

"Es hätte richtig schön werden können", sagt Justus. Aber als sie dann nachts um eins vor der Tür standen, wurden alle eingelassen - nur Justus nicht. "Das war eine böse Überraschung", sagt der 18-Jährige.

Alles Reden half nicht - zwei Türsteher erklärten, aus Sicherheitsgründen hätten Rollstuhlfahrer keinen Zutritt zur Diskothek. Denn die sei nur über eine Treppe erreichbar. Wenn Panik ausbreche, sei dies für ihn zu gefährlich. Allerdings könne er im Restaurant unten sitzen. Doch das lehnte Justus ab. Die Vorstellung, dass er Freunde, die ihn dabei begleiten würden, vom Feiern abhalten würde, behagte ihm nicht. Wohl oder übel fuhr er mit dem Taxi wieder nach Hause. "Ich habe mich echt mies gefühlt", sagt Justus. Er hatte vor der Diskothek auch mitbekommen, dass es einer jungen Frau im Rollstuhl genauso ging.

Grundsätzlich ist er für die Sicherheitsbedenken des Clubs offen. "Ich denke, für den Club ist das eine schwierige Frage." Aber er stellt es sich auch gefährlich vor, wenn betrunkene Menschen in Panik über die Treppe flüchten wollen, zumal wenn sie hohe Pfennigabsätze tragen, wie viele Frauen es dort tun.

Auf Anfrage der Rheinischen Post begründete die Nachtresidenz ihre Entscheidung. Als ehemaliges umgebautes Theater sei es nicht möglich, die Räume behindertengerecht umzubauen. Und manche Treppen seien so steil, dass vier bis fünf erfahrene und starke Begleiter einem Rollstuhlfahrer Hilfestellung leisten müssten.

Leider habe man die Erfahrung gemacht, dass Begleiter betrunken den Rollstuhlfahrer alleine ließen und das Sicherheitspersonal aushelfen musste. Wegen der Gefahr eines Sturzes sei dies jedoch aus versicherungstechnischen Gründen nicht machbar. Außerdem sei im Fall eines Feuers oder einer Panik die Flucht für einen Rollstuhlfahrer unmöglich. Wäre man vorher über den Besuch eines Rollstuhlfahrers informiert gewesen, hätte man die Problematik umgehend kommuniziert.

Beim Beirat für Behinderte der Stadt Düsseldorf möchte man sich zu dem Vorfall nicht äußern. Schließlich gehe es um einen privaten Anbieter und nicht um eine öffentliche Einrichtung. In den städtischen Broschüren "Wegweiser für Menschen mit Behinderung" und "Düsseldorf barrierefrei erleben" werden Diskotheken auch nicht aufgeführt.

Michael Stappen, Leiter des Club 68, der Freizeitangebote für junge Düsseldorfer mit Behinderung organisiert, hat zwar gehört, dass sich die Lage von Rollstuhlfahrern bei Clubbesuchen gebessert hat, allerdings zählen diese nicht zum Programm des Vereins. Aber in anderen Lokalen hätten die Mitglieder stets positive Erfahrungen gemacht. "Nur wenn Überfüllung droht, werden wir aus Sicherheitsgründen nicht hereingelassen", berichtet Clubleiter Michael Stappen.

Wenn Justus Wiemann mit seinen Freunden feiern will, wird er um Clubs in nächster Zeit erstmal einen Bogen machen. "Clubs sind nichts für mich, zumindest nicht im Augenblick."

(RP)
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