Serie So Wohnt Düsseldorf Rosenduft statt Militärdrill

Düsseldorf · Auf dem Kasernengelände an der Tannenstraße ist ein neues Quartier entstanden: Historie behauptet sich zwischen moderner Architektur.

 Architekt Thorsten Ehrich, der das neue Quartier gestaltet hat, steht auf dem ehemaligen Kasernengelände.

Architekt Thorsten Ehrich, der das neue Quartier gestaltet hat, steht auf dem ehemaligen Kasernengelände.

Foto: Andreas Bretz

Die Vergangenheit war von preußischem Pflichtgefühl geprägt. Und von Militärdrill. Geblieben ist davon nur der Straßenname: Zur alten Exerzierhalle. Über hundert Jahre nach den Anfängen steht hier niemand mehr stramm, nicht mal die Rosen, die nach dem letzten Regenguss ganz zerzaust aussehen. Wo einst das Ulanenregiment zackig seinem Alltag nachging - zwischen Offizierskasino, Arresthaus und Reitplatz - ist in den vergangenen Jahren ein neues Quartier zum Wohnen und Arbeiten entstanden: das Tannenstraßenareal in Derendorf. Ein entspanntes Wohnviertel, in dem sich die Reste der Historie zwischen moderner Architektur behaupten.

Kristina Schocke-Schmedding kennt beides - das Neue und das Alte - zumindest in seiner restaurierten Form. 2005 las sie in der RP von den Plänen, einen der alten Backsteinbauten der ehemaligen Kaserne, in der auch Infanterie und Artillerie untergebracht waren, in komfortable Eigentumswohnungen zu verwandeln. Eine Bürgerinitiative hatte erfolgreich gegen den ursprünglich geplanten Abriss gekämpft. Die denkmalgeschützten Fassaden blieben erhalten, bekamen aber Balkone vor die alte Hülle gesetzt. "Ich fand es wunderbar, in einem historischen Ambiente zu wohnen, die hohen Decken, die großzügigen Räume", erinnert sie sich. Allerdings hat das Wohnen in einem Denkmal nicht nur Vorteile: "Markisen als Sonnenschutz anzubringen war tabu."

Auch die Umgebung beflügelte ihre Entscheidung, von ihrer Altbauwohnung mit Garten in das neue Quartier zu ziehen. "Die Tannenstraße mit ihren Geschäften und Bistros hat sich sehr positiv verändert." Außerdem war sie früher schon Kundin der Biobäckerei an der Ulmenstraße und traf sich gern mit Freunden im "Tannenbaum". Heute schätzt sie die Möglichkeit, schnell mit dem Fahrrad an den Rhein oder in die City zu fahren - "oder zum Einkaufen auf den Markt am Kolpingplatz".

 Kristina Schocke-Schmedding zeigt ihre Neubauwohnung in dem Viertel, von dem sie sehr angetan ist.

Kristina Schocke-Schmedding zeigt ihre Neubauwohnung in dem Viertel, von dem sie sehr angetan ist.

Foto: Bretz Andreas

Von ihren Fenstern aus sah Kristina Schocke-Schmedding das Viertel wachsen - von verschiedenen Bauherrn und Architekten. "Ein spannender Prozess." Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass die beiden Balkone ihrer Wohnung doch zu klein waren, zu wenig Platz zum Pflanzen boten. Also blieb sie wachsam, als immer mehr Wohnungen entstanden. "So habe ich gleich von dem Projekt gegenüber erfahren." Und kurze Zeit später wusste sie auch, dass sie in die Eckwohnung umziehen wollte, "die oder keine". Denn diese Wohnung hat eine große Terrasse, auf der Kristina Schocke-Schmedding gerade an ihren Hortensienblüten zupft, ebenfalls übers Eck - mit Sonne vom Morgen bis zum Abend. Und einen Mini-Garten, dessen Hecken vor neugierigen Blicken abschirmen werden, wenn sie denn erst mal kräftiger sind.

Erst seit einigen Monaten wohnt sie nun in ihrem Neubau-Domizil, einer Drei-Zimmer-Wohnung von 100 Quadratmetern und findet, dass sich die neue Architektur "sehr harmonisch in die alten Strukturen fügt". Das hört Thorsten Ehrich ganz besonders gern, er ist der Architekt des Gebäudes, das fast im Zentrum des gesamten Areals gewachsen ist und den Namen "Quartier Plastron" trägt. 65 Wohnungen, zwischen 80 und 150 Quadratmeter groß, gruppieren sich um einen Innenhof in Form eines großen "U" - alle Terrassen und Balkone zeigen Richtung Süden oder Westen. Der Komplex wurde um gut einen Meter über das Straßen-Niveau angehoben, so stiegen die Erdgeschosswohnungen mit ihren Terrassen und Minigärten zum Hochparterre auf.

Unterschiedliches Höhen-Niveau, eigentlich den Abluftschlitzen der Tiefgarage geschuldet, prägt auch den großen Innenhof, in dem sich jetzt Gräser und Lavendel im Wind wiegen und im Frühling Zierobstbäume verschwenderisch blühen. "Ich wollte einen Ort schaffen, an dem man sich trifft", meint Thorsten Erich. Der Plan scheint aufzugehen, zumindest an Sommerabenden. Außerdem hat Kristina Schocke-Schmedding gleich ihre neuen Nachbarn eingeladen, damit sich alle kennenlernen. "Junge und ältere Paare, hier stimmt die Mischung." Und ein Baby wurde auch schon im Haus geboren - wenn das kein gutes Zeichen ist.

(RP)
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