Umgang mit AfD-Politikern Ruhe, Freundlichkeit - und harte Nachfragen

Düsseldorf · Dieser Landtagswahlkampf ist anders als die vorherigen: Die AfD diskutiert mit - in der Presse, im Netz und auf vielen Veranstaltungen. Wie können Moderatoren dafür sorgen, dass die Diskussion nicht aus dem Ruder läuft? Ein Interview mit einem Profi.

 Wenn AfD-Politiker wie Marcus Pretzell auf dem Podium sitzen, müssen Moderatoren besonders aufpassen.

Wenn AfD-Politiker wie Marcus Pretzell auf dem Podium sitzen, müssen Moderatoren besonders aufpassen.

Foto: dpa, a fdt

Das Unbehagen ist groß bei Düsseldorfer Lokalpolitikern, sich mit AfD-Mitgliedern auf eine Bühne zu setzen. Sie fürchten, unfair provoziert zu werden — von ihrem Gegenüber oder gar von AfD-Claqueuren im Publikum.

Notfalls wolle man aufstehen und das Podium verlassen, haben Düsseldorfer Parteigrößen wie Andreas Rimkus (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder Paula Elsholz (Grüne) beschlossen. Rimkus sagte nach einer entgleisten Podiumsdiskussion des Katholikenrats im Canisius-Haus, AfD-Teilnehmer stellten eben besondere Anforderungen an den Moderator einer solchen Runde.

Doch was bedeutet das? Was muss ein guter Moderator mitbringen, um die Kontrolle über das Podium zu behalten? Fragen an Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, der selbst vor kurzem eine medienpolitische Diskussion moderiert hat, bei der auch Marcus Pretzell von der NRW-AfD auf dem Podium saß.

 Frank Überall ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er arbeitet als freier Journalist und Moderator, außerdem lehrt er an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln.

Frank Überall ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er arbeitet als freier Journalist und Moderator, außerdem lehrt er an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln.

Foto: Werner Siess

Ist es anders, eine Podiumsdiskussion zu moderieren, wenn ein Mitglied der AfD dabei ist?

Frank Überall Definitiv. Das fängt bei der Vorbereitung an. Auch die Rahmenbedingungen sind natürlich oft andere, weil eventuell mit Protesten zu rechnen ist. Und auf der Bühne beginnt dann die eigentliche Arbeit. Populismus, wie ihn viele AfD-Politiker betreiben, spielte bisher in Deutschland weniger eine Rolle als in den europäischen Nachbarländern. Jetzt aber kann man die Partei nicht mehr ignorieren. Sie wird vielleicht sogar in den Bundestag einziehen. Da muss man als Moderator aufpassen, trotzdem ein gutes Bild abzugeben.

Warum?

Überall Populisten sind meist rhetorisch sehr gut geschult. Da muss der Moderator gegenhalten, ohne selbst unsympathisch zu wirken. Es ist schwierig, jemandem Kommunikationskultur entgegenzubringen, der selbst keine mitbringt. Das ist der schmale Grat: dem Gegenüber widersprechen, es auch korrigieren, ohne dieser Person die Märtyrerrolle zu ermöglichen.

Was bedeutet das konkret?

Überall Als Moderator sollte man sich sehr gut vorbereiten. Man muss sich in die Thematik einlesen, sich mit den Argumenten auch der AfD auseinandersetzen. Ich habe oft erlebt, dass Populisten Tatsachen verdrehen oder schönen. Man muss genug Faktenkenntnis haben, um in einen solchen Streit hineinzugehen. Und man muss auch wissen, wie man Fakten adäquat belegen kann. Die Kunst ist, Ruhe und Freundlichkeit auszustrahlen, aber auch hart nachfragen zu können. Das ist zu einem großen Teil Erfahrungssache.

Gerade sich mit den Argumenten der AfD und ihren Persönlichkeiten auseinandersetzen, fällt manchem Moderator vielleicht aus persönlichen Gründen schwer.

Überall AfD ist nicht gleich AfD. Viele vertreten fremdenfeindliche Positionen und verstecken sie hinter einer Fassade des Konservatismus. Manche sind aber auch wirklich konservativ. Das sind in Teilen anschlussfähige Positionen auch für einen Teil des Publikums. Ein guter Moderator muss persönliche Sympathien und Antipathien zurückstellen.

Das Publikum macht Düsseldorfer Politikern Sorge: Sie befürchten, dass AfD-Politiker Anhänger mitbringen, die dann durch Zwischenrufe die Veranstaltung stören. Wie geht man als Moderator damit um?

Überall Spontane Zwischenrufe an sich müssen ja nichts schlechtes sein, sie können eine Diskussion auch voranbringen. Problematisch wird es dann, wenn jemand durch seine Lautstärke die Veranstaltung stören oder die Redehoheit an sich reißen will. Mein Rat wäre immer, keine Mikrofone in den Saal zu stellen. Stattdessen kann der Moderator ja mit einem Funk-Mikrofon in den Saal gehen, das er nicht aus der Hand gibt. Damit kann er dann direkt auf das Publikum zu gehen. So verliert er nicht die Kontrolle über die Veranstaltung.

Sie meinen, es wäre tatsächlich eine gute Idee, den Zwischenrufern das Wort zu erteilen?

Überall Natürlich ist das anstrengender. Man muss sich im Dialog mit diesen Menschen durchsetzen. Aber die direkte Konfrontation von Störenfrieden ist meiner Erfahrung nach oft heilsam, weil sie dann die Lust verlieren. Beim ersten Zwischenruf würde ich von der Bühne aus reagieren. Wenn derjenige weitermacht, würde ich die Initiative ergreifen und ins Publikum gehen. Das überrascht diese Menschen dann oft. Es ist eben etwas anderes, anonym aus dem Publikum zu rufen, als sich dann im Zwiegespräch mit einem guten Moderator artikulieren zu müssen.

Und wann würden Sie Störenfriede des Saals verweisen?

Überall Das ist für mich Ultima Ratio — aber es ist sinnvoll, sich innerlich als Moderator auf diesen Schritt vorzubereiten und sich auch vor der Diskussion Rückhalt vom Veranstalter zu holen. Ich selbst habe noch nie jemanden rausschmeißen lassen.

Wo verläuft denn aus Ihrer Sicht die rote Linie?

Überall Auf jeden Fall natürlich dann, wenn Störenfriede andere beleidigen oder andere strafrechtlich relevante Dinge tun — wie Volksverhetzung oder die Leugnung des Holocaust. Als Moderator muss man ein Gespür dafür entwickeln, wann es kritisch wird.

Was sagen Sie zu Politikern anderer Parteien, die grundsätzlich ablehnen, mit AfD-Vertretern auf Podien zu sitzen?

Überall Davon halte ich nicht viel. Wir können uns dem Diskurs nicht verschließen. Die schweigende Mehrheit wird von den Radikalen reklamiert — daher sollten wir nicht selbst zur schweigenden Mehrheit gehören. Demokraten müssen die Diskussion aushalten. Wer nicht dagegenhalten kann, ist aus meiner Sicht in der Politik am falschen Ort.

(hpaw)
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