Als Düsseldorferin einen Tag in Bochum Viel besser, als man glaubt

Bochum/Düsseldorf · Um ihr Image zu verbessern, hat die Stadt Bochum 40 Düsseldorfer einen Tag lang eingeladen. Unsere Autorin ist mitgefahren. Ein Erlebnisbericht.

Schon wieder ein Bestattungsunternehmen. "Das ist schon das dritte", sage ich. "Vielleicht ist das ja hier die Straße der Bestatter. Und der Spielhöllen", sagt meine Sitznachbarin, während unser Bus an der nächsten Spielothek vorbeizieht. Das ist also Bochum. Genau so hatte ich es mir vorgestellt, bevor ich in den blauen Bus des Stadtmarketings eingestiegen bin. Sollte sich das Klischee der dreckigen Stadt in der Mitte des Ruhrgebiets schon bestätigen, bevor der Tag richtig losgegangen ist?

Das wäre für unsere Gastgeber jedenfalls der Super-GAU. Schließlich wollen sie uns Düsseldorfer davon überzeugen, dass die Stadt tief im Westen gar nicht mehr nur vor Arbeit ganz grau ist, wie es Grönemeyer seit 30 Jahren besingt, sondern sich zur Kulturmetropole entwickelt hat. Deshalb ist das Stadtmarketing von Bochum in Düsseldorf auf die Suche nach Gästen gegangen und hat 40 Bürger zu einem zwölfstündigen Ausflug eingeladen. Kostenlos. Der Bus ist voll, am Hauptbahnhof haben sogar noch Leute gewartet, um noch einen Platz zu bekommen. Die zweifellos clevere Strategie der Stadt scheint aufzugehen — zumindest, wenn Bochum mitspielt.

Besser kann man eine Stadt ja nicht ankündigen

Düsseldorfer zu Gast in Bochum
22 Bilder

Düsseldorfer zu Gast in Bochum

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Unser Bus hält im Stadtzentrum. Es regnet. Wir machen einen Rundgang. Der erste Haltepunkt ist vor einem Handyladen, der mit blinkender Werbung Sofortreparaturen für Smartphones verspricht. "Das Erste, was ihnen auffallen wird, ist, dass Bochum keine Altstadt hat. Sie werden viele 50er-Jahre-Zweckbauten sehen", sagt Stadtführer Thomas Baeck. Besser kann man eine Stadt ja nicht ankündigen. Mein Bild von Bochum verdüstert sich weiter. Dabei hatte ich mir wirklich vorgenommen, die Stadt neutral zu betrachten. Schließlich war ich auch erst einmal in Bochum, und das war in der Grundschule beim Besuch des Planetariums. Alles, was ich über Bochum und überhaupt über das Ruhrgebiet weiß, hat mit Klischees zu tun, die Bilder, die ich kenne, sind jene aus Grönemeyers "Bochum" von Zechen und Stahlkochern und von Städten, die den Niedergang der Montanindustrie noch immer nicht verwunden haben.

Genau so ist es aber nicht mehr, versucht Christian Gerlig von Bochum Marketing mir zu erklären: "Herbert Grönemeyer hat 30 Jahre für uns Werbung gemacht, alle kennen die Bilder aus seinem Video. Das sind wir aber nicht mehr. Das wollen wir mit unserer Aktion beweisen." In den kommenden Wochen wird der grellblaue Bus aus Bochum deshalb auch noch in Hamburg und Stuttgart halten.

Der Stadtrundgang ist inzwischen vorbei, mir ist kalt, ich bin nass, gewärmt haben mich nur ein Glas Likör und eine Currywurst. Wir sind jetzt im Bermudadreieck, Bochums Kneipenstraße. Hat was von Bolkerstraße, aber ohne die Junggesellenabschiede. Ein Cocktail-Workshop steht auf unserem Programm. Ich frage mich, was das mit Bochum zu tun hat. Damit bin ich allerdings ziemlich alleine, alle anderen haben riesig Spaß, als der Barinhaber das Für und Wider von gerührtem und nicht geschütteltem Martini erklärt. Vielleicht wollen die vom Stadtmarketing uns betrunken machen, damit uns die Stadt gefällt — das ist zugegeben ein sehr finsterer Gedanke. Aber in der Tat wird die Stimmung lockerer. Ich stelle mir vor, wie es abends im Bermudadreieck aussieht. Wenn die Junggesellenabschiede weiter ausbleiben, erscheint mir das als gute Alternative zu unserer überfüllten Altstadt. Das Viertel wirkt überhaupt viel jünger, studentischer. Kein Wunder, ist die Ruhr-Universität Bochum doch mit 56.000 Studenten eine der größten Hochschulen Deutschlands.

Die Stadt soll ja nicht Klein-Düsseldorf werden

Mein Bochumbild wandelt sich. Langsam. Die nächsten beiden Stationen haben etwas mit Bergbau zu tun — denke ich zumindest. Zuerst besuchen wir das "Museum unter Tage", bei dem ich direkt an Bergbaugeschichte denke, das in Wahrheit aber ein Kunstmuseum unter der Erde ist. Erinnert ans KIT. In der Zeche Hannover gibt es schließlich Abendessen. Die Zeche selbst besuchen wir nicht. Beide Programmpunkte lassen mich ein wenig ratlos zurück: Klar, will man sich bei unserer Tour als Kulturstadt präsentieren. Und ja, das echte Bergbau-Museum wird gerade renoviert. Aber Bochum ganz ohne Kohle — das fühlt sich auch nicht richtig an. Die Stadt soll ja nicht Klein-Düsseldorf werden. Das macht das Revier doch aus: Seine Städte haben eine eigene, bewegte Geschichte. Die darf man sich nicht scheuen, zu zeigen — selbst wenn Düsseldorfer zu Besuch sind. Dass man im Ruhrgebiet nicht tot überm Zaun hängen möchte, hat schließlich nur ein ganz bestimmter Düsseldorfer gesagt. Ihm anschließen will sich heute keiner aus unserer Bustruppe. "Es ist wirklich schöner, als ich gedacht hätte. Das ist eine Stadt, in der sich ein Besuch lohnt", sagt meine Sitznachbarin. So wie sie äußern sich eigentlich alle aus unserer Truppe. Gut, einem geschenkten Gaul... aber wir wollen mal nicht so ein, Bochum ist wirklich besser als sein Ruf.

Nach der letzten Station des Tages, einem Poetry Slam im Schauspielhaus, geht es wieder Richtung Düsseldorf. Im Bus wird über Toni Turek geredet, und als der Busfahrer sich zwischen dem Wehrhahn und dem Hauptbahnhof verfährt, springen 40 Passagiere leidenschaftlich als Navigatoren ein. Bochum ist viel besser, als man glaubt. Aber Düsseldorf, ich komm' aus dir.

(lai)
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