Düsseldorf Sanitäter müssen Selbstverteidigung lernen

Düsseldorf · Attacken wie der brutale Angriff auf einen Sanitäter an Altweiber seien keine Ausnahme mehr, sagen die Hilfsorganisationen DRK und ASB. Sie lassen ihre Mitarbeiter jetzt von der Polizei in Selbstverteidigung schulen.

 "Der Rettungsdienst darf nicht Zielscheibe von Gewalt werden", Ulrich Silberbach, Vorsitzender Komba NRW.

"Der Rettungsdienst darf nicht Zielscheibe von Gewalt werden", Ulrich Silberbach, Vorsitzender Komba NRW.

Foto: EduardN.Fiegel

Beleidigungen und Drohgebärden gehören zum Alltag im Rettungsdienst. 98 Prozent der Rettungskräfte in NRW haben das schon erlebt, mehr als die Hälfte wurde im Dienst angegriffen, von Spucken bis Treten ist alles dabei. Zu diesem Ergebnis kommt Sozialwissenschaftlerin Julia Schmidt in einer Studie für den kriminologischen Lehrstuhl der Ruhr-Universität in Bochum.

Oliver Kowa, Leiter des Rettungsdienstes beim Düsseldorfer DRK, kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Erst vor wenigen Tagen hat ein Patient einem DRK-Sanitäter mit einem Fußtritt die Nase gebrochen. "Der Mann litt an einer akuten Psychose, fühlte sich verfolgt", sagt Kowa. Aber auch ganz bewusste und gezielte Attacken kämen häufiger vor. So wie der Kopfstoß, den ein bis heute Unbekannter an Altweiber einem Sanitäter des Arbeitersamariterbundes (ASB) versetzt hatte, der bewusstlos zu Boden gegangen war.

Jan-Christoph Eckel, Sanitätsdienstleiter beim ASB, sagt ebenfalls: "Der Respekt vor unseren roten Jacken ist spürbar geringer geworden." Früher seien Sanitäter vor allem als Helfer in Not gesehen worden. "Das ist heute anders." In Düsseldorf gilt seit einigen Jahren für alle Rettungsdienst-Mitarbeiter Helmpflicht im Einsatz bei Großveranstaltungen wie Karneval oder Silvester. Der ASB-Helfer trug keinen, er wollte nur kurz Verbandsmaterial aus einem Wagen holen, der am Burgplatz angestellt war. Dort war er angegriffen worden.

Auch Kowa hat den Notarztwagen schon öfter am Rand des Geschehens stehen lassen, um zu Fuß einem Patienten zu Hilfe zu eilen. "Wir wollen ja auch nicht beim Feiern stören." Einmal, an einem gewöhnlichen Samstagabend, fand er hinterher tanzende Leute auf der zerbeulten Motorhaube, die Scheibenwischer waren abgebrochen. "Wie kommt man auf solche Ideen?"

Laut Studie vor allem durch Alkohol oder Drogen, unter deren Einfluss mehr als die Hälfte der Täter stehe. Die Befragung von über 2000 Sanitätern führte aber auch zu der Erkenntnis, dass Großveranstaltungen nicht allein Tatorte sind, sondern auch Einsätze in durchaus bürgerlichen Wohngegenden immer häufiger mit Angriffen auf Sanitäter endeten. Nicht zuletzt, weil sie als Dienstleister betrachtet würden, die Kundenwünsche zu erfüllen hätten, bestätigt Oliver Kowa. Dass sie verpflichtet sind, Patienten ins nächstgelegene Krankenhaus zu bringen, führe beispielsweise häufig zu Auseinandersetzungen, auch zu handfesten Drohungen. "In einem Fall wollten wir den Betreffenden anzeigen, aber die Polizei hat gesagt, das würde von der Staatsanwaltschaft ohnehin eingestellt", sagt Kowa. Dabei müssten doch gerade Angriffe auf Rettungskräfte von größtem öffentlichen Interesse sein. "Wir sind doch schließlich zum Helfen da - da darf es keine Toleranz geben."

Wenn sich Rettungssanitäter um Patienten kümmern, haben sie Hände und Augen nicht frei für die eigene Sicherheit. Deshalb werden sie beim DRK inzwischen geschult, lernen Deeskalationsstrategien und auch, wie man schon beim Betreten einer Wohnung darauf achtet, sich den (Flucht)Weg nach draußen einzuprägen. Auch Selbstverteidigung gehört seit einigen Jahren zur Sanitäter-Ausbildung. Trainiert wird mit Spezialisten der Polizei.

Was das DRK in Düsseldorf praktiziert, hat gestern die Komba-Gewerkschaft verpflichtend von allen Kommunen gefordert. Als Arbeitgeber der Rettungsdienste müssten sie dafür sorgen, dass "Feuerwehr- und Rettungsdienst ungehindert ihrer Arbeit nachgehen können. Sie dürfen dabei nicht selbst zur Zielscheibe von Gewalt werden", so der Landesvorsitzende Ulrich Silberbach, der damit auch auf die jüngsten Vorfälle in Düsseldorf reagierte.

(RP)
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