Düsseldorfer Kunstberater Schlug Achenbach auf Picasso 53 Prozent auf?

Düsseldorf · Der Kunstmarkt ist nervös, die Staatsanwaltschaft ermittelt: Der wegen Betrugsverdachts inhaftierte Kunstberater Helge Achenbach hat womöglich noch mehr dubiose Millionen erlangt als bisher bekannt - und hält sein Verhalten für legal.

Der Fall Helge Achenbach zieht Kreise in der Sammler- und Galeristenlandschaft, Spekulationen über weitere Geschädigte lassen die durch angebliche Betrügereien erlangten Summen stetig nach oben klettern: zwölf Millionen Euro, dann 18, schließlich 30 bis 40 Millionen, so heißt es, könnten da zusammengekommen sein.

Einer der beteiligten Juristen, sichtlich beeindruckt von den Millionenbeträgen, brachte es auf den Punkt, als er sagte: Das ist der Düsseldorfer Fall Uli Hoeneß. Ein erfolgreicher und prominenter Geschäftsmann, als schillernde Persönlichkeit akzeptiert, in seiner Branche - dem Kunsthandel - als Star gefeiert, jongliert mit riesigen Beträgen, sieht sich selbst außerhalb stehend vom üblichen Regelwerk und ist zutiefst erschüttert über eine ganz andere Einschätzung, die dieses Agieren als kriminell einschätzt.

Gibt es noch mehr Geschädigte?

Am Ende wird es um genau diese Frage gehen: Hat der Kunstberater Helge Achenbach (62), seit vier Wochen in Haft, vorsätzlich betrogen und Urkunden gefälscht? Oder hat er sich in diesem durchgeknallten Umfeld namens Kunstmarkt nach den dort vielleicht gültigen Regeln verhalten und Absprachen erfüllt, von denen nur er und seine Kunden wussten?

Für die Staatsanwaltschaft Essen ist der Fall klar - Achenbach ist ein Betrüger. Als er an den Aldi-Chef Berthold Albrecht (im Alter von 58 im Jahr 2012 verstorben) Dutzende von Kunstwerken und Oldtimer vermittelte, soll er ihm anhand manipulierter Rechnungen Preise abverlangt haben, die weitaus höher waren als das, was er dafür beim Verkäufer bezahlt hatte. Alles sei mit Berthold abgesprochen gewesen, sagt seine Familie. Stimmt nicht, sondern Betrug, sagt Babette Albrecht, die Witwe des Aldi-Eigners.

Womöglich kommen jetzt weitere Geschädigte aus der Deckung. Das jedenfalls mutmaßt der "Spiegel" in seiner heutigen Ausgabe, und auch die Staatsanwaltschaft in Essen schließt das nicht aus. Natürlich wisse man, dass Achenbach noch mehr Kunden hatte, und schaue sich diese Transaktionen an. Aber einen konkreten Verdacht auf weitere Schadensfälle gebe es noch nicht. Das heißt: Die Ermittlungen gehen weiter, neue Erkenntnisse sind denkbar. Andere Partner des Kunstberaters reagieren zurückhaltend: Bei der "Sammlung Rheingold", die Achenbach mit dem Geld der Mönchengladbacher Unternehmerfamilie Viehoff aufbaute, habe man alles nochmals überprüfen lassen, sagte ein Familienmitglied dem Spiegel. Alles sei okay.

VW legt Pläne auf Eis

Auch VW hat den Fall im Blick. Am Rande der Präsentation des neuen Passat vor wenigen Tagen in Berlin hieß es jedoch, zuerst einmal lägen alle Pläne auf Eis, man warte ab, wie es weitergehe.

Auf jeden Fall spielt die feine Berenberg-Bank eine zentrale Rolle in dem bevorstehenden Gerichtsverfahren. Die Banker, die Kunden nur dann akzeptieren, wenn ihr Barvermögen mindestens siebenstellig ist, hatten mit Achenbach 2011 die "Berenberg Art Advice" gegründet, um wohlhabenden Kunden Kunst als Anlageobjekt vermitteln zu können. Als aber einer der potenten Kunden, der Wiesbadener Pharma-Unternehmer Christian Boehringer, sich von Achenbach übervorteilt fühlte und 1,2 Millionen Euro zurückverlangte, beglich man die Summe diskret, holte sie sich (zumindest in Teilen) von Achenbach zurück und beendete die Zusammenarbeit.

Dass man in dieser Zeit auch den Chef der Düsseldorfer Filiale auswechselte, hat angeblich mit diesem für die Bank peinlichen Vorfall nichts zu tun. Aber über die Bank kam eine Liste von Achenbach-Einkäufen zutage, durch die auch andere Käufer aufmerksam wurden, weil zwischen dem Einkaufspreis und der von ihnen dann kassierten Summe eine erhebliche Lücke klaffte. Unter anderem soll vor allem Babette Albrecht misstrauisch geworden sein und Überprüfungen in die Wege geleitet haben, die schließlich zur Anzeige wegen Betrugs und zur Verhaftung des Kunstberaters führten.

Achenbach soll zum Beispiel Picassos Werk "La Famille du Jardinier" für umgerechnet 3,6 Millionen Euro erworben, seinem Kunden Albrecht dafür aber 5,5 Millionen Euro in Rechnung gestellt haben. Bei mehreren Werken habe Achenbach anscheinend die Währung von Dollar in Euro geändert.

Sollte sich ein solcher Aufschlag von 53 Prozent als wahr herausstellen, würde das vor allem von der Gutgläubigkeit der Kunden zeugen. Die meisten derer, die von Kunst und ihrem Markt nichts verstehen und Bilder in erster Linie als Investment betrachten, sind betrügerischen "Beratern" auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wie heißt es doch im Bürgerlichen Gesetzbuch: "1. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. 2. Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort