Sondierungsgespräche im Maritim Schnitzelchen für Schwarz-Rot

Düsseldorf · Die Delegationen von Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft sondierten gestern im Hotel Maritim die letzte der noch offenen Koalitionsmöglichkeiten. Dreieinhalb Stunden debattierte die Runde im Saal Peking. Für jeden der Verhandler gab es Blutwurst, kleine Schnitzel und Traubenzucker.

 Die Organisation Campact protestierte mit Masken gegen die Koalition.

Die Organisation Campact protestierte mit Masken gegen die Koalition.

Foto: ddp, ddp

Zum Saal Peking geht es schnurstracks geradeaus. Über die Zukunft Nordrhein-Westfalens soll hier mehrere Stunden lang debattiert werden. Für 30 Emissäre von CDU und SPD ist der Verhandlungstisch eingedeckt. Die Mission: Herauszufinden, ob Schwarz-Rot geht oder nicht. Im Raum Amsterdam, ein Stockwerk höher, ist die Tuchfühlung schon weiter gediehen als bei der erst aufkeimenden Zuneigung zwischen Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft. "Hour Passion" (Stundenleidenschaft) heißt die dortige Veranstaltung des Uhrenherstellers Swatch.

Schon lange bevor die Abordnungen von CDU und SPD vor dem Hotelportal vorfahren, hat sich dort eine gewaltige Journalistenmenge aufgebaut. Um 12.25 Uhr drängen sich immer mehr TV-Berichterstatter am Eingang, verschaffen sich Platz für ihre geschulterten Kameras, stöpseln die letzten Kabel ein. Autos fahren vorbei. Jeder Wagen aus Mettmann oder Erkenschwick, der vorbeifährt, steht jetzt in Verdacht, eventuell Mitglieder der Verhandlungsdelegationen zu transportieren. Umweltschützer haben als Protest gegen neue Kohlekraftwerke noch schnell einige Säcke Briketts herangekarrt und sie auf dem Hotelvorplatz abgeladen. Ein Bräutigam mit Rüttgers-Maske und eine Braut mit weißem Kleid und Kraft-Maske geben sich gerade das Ja-Wort, ein Aktivist streut Reis.

Drinnen geht Hotelchef Jens Vogel auf und ab. Morgens habe man statt armloser Sessel nun doch Stühle mit Lehnen in den Verhandlungssaal geschafft. "Das sieht besser aus", sagt er. 30 Plätze, 15 CDU, 15 SPD. Alle Verhandler haben einen Kugelschreiber vor ihrem Sitz liegen — und ein Stückchen Traubenzucker. Vier Stunden sind maximal für die ersten Gespräche eingeplant, verrät Vogel. Sollte es länger dauern, könnten die kleinen Starkmacher ganz wichtig werden.

Hannelore Kraft kommt mit ihrem Gefolge als Erste. Sie hat eingeladen zum Spitzengespräch. "Dementsprechend bekommt die SPD auch die Rechnung für Säle und Bewirtung", sagt Vogel. Aber, und das hat der Hotelchef aus Parteikreisen gehört, haben sich Schwarze und Rote wie gute Freunde darauf geeinigt, die Kosten zu teilen. Beim Bezahlen ist die große Koalition bereits geritzt.

Rüttgers kommt kurze Zeit später. Fragen vor Verhandlungen sind unerwünscht, da ist der Weg über die Treppe am schnellsten. Kaum sind alle im Konferenzbereich verschwunden, verriegeln Hotelangestellte und Sicherheitsleute die Glastür. Ein grauer Sichtschutz soll Blicke auf die Politiker verhindern. Und auch auf die Schnitzelchen mit Kartoffelsalat, Lachsbrötchen und Blutwurst, die es in den Verhandlungspausen gibt.

Alle Journalisten drängen nun nach Dubai. In dem gleichnamigen Saal gibt's für sie Getränke während des Wartens. Flugkapitän Hardy Klingmeier juckt der ganze Auftrieb überhaupt nicht. Er sitzt seelenruhig mit einem Buch im braunen Ledersessel in der Lobby. Koalitionsverhandlungen in NRW? "Nein, das interessiert mich nicht. Ich komme aus Frankfurt", sagt der Pilot. Klingmeier startet seinen Jet um 15.40 Uhr Richtung Zürich, dann geht es weiter nach Paris. Wenn er dort abends einschläft, haben Rüttgers und Kraft die Gespräche längst beendet. SPD und CDU wollen weiterverhandeln. Am Dienstag, wahrscheinlich wieder im Maritim. Wieder im Peking-Saal. Und mit neuen Traubenzuckerstückchen.

Mehr zur Landtagswahl lesen Sie in unserem Special.

(RP)
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