Serie So Klingt Düsseldorf Schräge Revue mit froher Botschaft

Düsseldorf · Der Chor Jazz Line kommt ohne Instrumente aus und inszeniert sich als Mischung aus Gesang und Kabarett.

 20 Frauen und Männer gehören zum A-Capella-Chor Jazz Line. Ihr Programm heißt "Jazz goes Bethlehem".

20 Frauen und Männer gehören zum A-Capella-Chor Jazz Line. Ihr Programm heißt "Jazz goes Bethlehem".

Foto: Matthias Sunder

Eller Körper in Schwingung: Schultern kreisen, Finger schnippen, Beine und Arme werden geschüttelt. Dann erste Lippenbekenntnisse, Warmsingen: "lau-lau-lau", "li-li-li". Zunächst ein Brummen, kurz darauf füllen Töne den Raum. Und Fröhlichkeit. Es ist Montagabend, 20 Uhr, in der Luther-Kirche in Bilk hat soeben eine Probe von "Jazz Line" begonnen - vier Tage vor dem nächsten großen Auftritt.

Diese 20 Frauen und Männer (deutlich mehr Frauen) wirken so, als sei da ein unsichtbares Band, das die Gruppe hält - geknüpft aus Tönen, Takt und Rhythmus. Sie haben ihre Stimmen, sonst nichts, kein Instrument begleitet sie, denn "Jazz Line" ist ein A-Capella-Chor, der zwischen Jazz, Pop und Rock pendelt - von "Tea for two" bis "Highway to hell." Und immer ein paar Takte anders, als bisher gehört. Das mag auch an dem musikalischen Leiter Bernd Kaftan liegen, einem Kölner, der alte und aktuelle Musikstücke neu für den Chor arrangiert. Und plötzlich klingt "Tage wie diese...", die Hymne der "Toten Hosen", auf eine intensive, anrührende Weise. Gänsehaut inklusive.

"Jazz Line" wurde vor über 20 Jahren gegründet, drei der Anfangsmitglieder sind auch heute noch gut bei Stimme und im aktuellen Programm zu hören: "In vollen Zügen". Wer dabei nur Bahnhof versteht, liegt ganz richtig. Bernd Kaftan: "Wir haben uns von der besonderen Atmosphäre an Bahnhöfen inspirieren lassen." Herausgekommen ist ein Programm mit Liedern, die von Ankommen und Abschied erzählen ("Es fährt ein Zug nach nirgendwo") und skurrilen Szenen, die von Putzkolonnen und Nervenkrieg am Fahrkartenschalter handeln. Denn "Jazz Line" ist kein Chor, der einfach da steht und singt. Die Sängerinnen und Sänger offenbaren kabarettistisches Talent, sind ständig in Bewegung, ein paar Stepptanz-Schritte, eine kleine Spielszene - heiter bis witzig.

"Wir biegen die Handlung so, dass unsere Lieder rein passen", erklärt Matthias Sunder, einer der raren Männer des Ensembles. Das gilt auch für das zur Jahreszeit passende Advents-Programm "Jazz goes Bethlehem", in dem "Mary und Jupp" vor einem geöffneten Koffer sitzen, aus dem ein helles Licht leuchtet - eine Krippe? Diese Maria hat feuerrotes Haar, ist gerade von ihrem Josef verlassen worden (oder war es umgekehrt?) und singt sich die Seele aus dem Leib. Das ist ziemlich komisch und klingt so schwerelos, dass man ahnt, wie viel Mühe dahinter steckt. Ein Weihnachtskonzert? Eher eine schräge Revue mit froher Botschaft: halleluja.

Damit gastiert "Jazz Line" auf den Kleinkunstbühnen der Stadt, manchmal in Kirchen - wie nächsten Freitag in der Schlosskirche in Eller und zwei Mal im Jahr in der Luther-Kirche in Bilk - dafür wird der Probenraum von der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellt. "Wir finanzieren uns vollständig selbst", auch die zwei Workshops jährlich, jeweils über ein Wochenende. "Manche von uns kommen dort gestresst und müde nach einer harten Woche an. Nach ein paar Stunden blüht jeder auf", sagt Marion Gather. Singen als Energieschub. Aber da muss noch eine andere Sogkraft sein. Letzten Montag spielte die Fortuna, zeitgleich mit der Chorprobe. "Jazz-Liner" Dirk Wevers hat eine Dauerkarte fürs Stadion. Raten Sie mal, wo er Montagabend war. "Fußball hab ich aufgezeichnet, der kommt nach dem Singen dran."

(RP)
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