Düsseldorf Schüler betreuen behinderte Kinder

Düsseldorf · Abiturienten des Comenius-Gymnasiums begleiten behinderte Kinder auf dem Oberkasseler Abenteuerspielplatz. Die Kinder können dabei selbstständiger werden, ihre Eltern werden durch den Einsatz entlastet.

 Abiturient Leon Richter hat Spaß daran, Marie und Lisa Marie (unten) zu betreuen und findet es wichtig, zu helfen.

Abiturient Leon Richter hat Spaß daran, Marie und Lisa Marie (unten) zu betreuen und findet es wichtig, zu helfen.

Foto: Andreas Endermann

Vorurteile, Berührungsängste oder die Befürchtung, etwas falsch zu machen, sind Probleme, die vielen Menschen den Umgang mit behinderten Kindern schwer machen. Mit ihrer "Abenteuerspielplatz-AG" zeigen Comenius-Abiturienten seit einigen Wochen, dass sie sich der Herausforderung stellen wollen und dass sie Eltern von Kindern mit geistiger Behinderung durch eine wöchentliche Spielplatzbetreuung entlasten können.

Svenja Kruse-Glitza brachte ihre elfjährige Tochter Franka schon mehrmals mit zum Spieltreff auf dem Oberkasseler Abenteuerspielplatz. Zu den Schülern, die dort jeden Dienstag als Betreuer fungieren, hat sie Vertrauen gefasst. "Kinder brauchen Bezugspersonen, gerade bei geistiger Behinderung", sagt Kruse-Glitza. "Die Schüler müssen sicher noch einiges lernen. Man wächst aber mit seinen Aufgaben."

Seit der Geburt der Tochter ist sie vollständig durch deren Betreuung gebunden, demnächst will sie aber wieder arbeiten. Beim zweiten Besuch ließ sie Franka zum ersten Mal allein auf dem Spielplatz. Dabei habe sie dann aber doch noch ein "mulmiges Gefühl" gehabt. "Zuerst wollte sie nicht, dass ich gehe", sagt Kruse-Glitza. Jetzt könne sie sich sogar vorstellen, Franka ganz allein mit dem Bus von Unterrath zum Spieltreff fahren zu lassen. In der Aktion sieht sie nicht nur eine Entlastung, sondern auch die Möglichkeit zu mehr Selbstständigkeit für sich und ihre Tochter.

Die Idee, sich in der Freizeit um behinderte Kinder zu kümmern, kam Schüler Leon Richter bei den "Special Olympics" im vergangenen Jahr. Die Basketballspiele trugen die geistig behinderten Athleten im Comenius-Gymnasium aus, die Betreuung übernahmen etwa 60 Schüler. Laut Richter gebe es noch viel mehr Mitschüler, die sich aus Lustlosigkeit und Berührungsängsten nicht engagieren. Beides weiß der 19-Jährige aus eigener Erfahrung zu zerstreuen: "Es macht Spaß und man merkt, wie wichtig es ist, anderen Menschen zu helfen."

Die Organisation des Spieletreffs für behinderte Kinder übernahm Ulrike Steinborn, Sozialpädagogin am Comenius-Gymnasium. "Inklusionsprojekte lassen sich im Schulalltag durch die räumliche und personelle Situation schwer durchsetzen", sagt Steinborn. "Die OGS platzt aus allen Nähten, und für den Unterricht bräuchten wir auch Sonderschullehrer." Daher habe sie gezielt nach Möglichkeiten gesucht, Abiturienten und Förderschüler der Franz-Marc-Schule in ihrer Freizeit zusammenzubringen - mit Erfolg. Bis zu acht Schüler finden sich mittlerweile dazu bereit, dienstags bei der Betreuung zu helfen.

Für die professionelle Anleitung sorgt auch Honorarkraft Franziska Bulle von der Lebenshilfe. "Wir wollen noch mehr Leute motivieren, mitzumachen", sagt die Studentin. "Genau genommen bräuchten wir hier eine 1:1-Betreuung." Im Umgang mit den Behinderten sei es ihr zufolge hauptsächlich wichtig, den Entwicklungsstand der Kinder zu kennen und danach zu handeln.

"Bis jetzt habe ich noch nie mit behinderten Kindern zu tun gehabt", sagt Zoe Labreze. Die 17-jährige hat neben der Schule zwar schon in einem Kindergarten und einer Kinderstation im Krankenhaus ausgeholfen, den Umgang mit geistig Behinderten lernt sie aber erst bei der AG. "Man bekommt eine andere Sichtweise und erfährt, wie die Kinder die Welt sehen", sagt Zoe. Obwohl sie sich nicht vorstellen kann, nach der Schule in der Behindertenbetreuung zu arbeiten, empfindet sie die Erfahrung beim Spieletreff als wertvoll: "Es ist gut, dass es so etwas gibt."

(RP)
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