Düsseldorf Schüler büffeln für die Nachprüfung

Düsseldorf · Im Friedrich-Rückert-Gymnasium besuchen 91 Schüler Förderkurse. Viele von ihnen kämpfen um ihre Versetzung, andere wollen einem künftigen "mangelhaft" einfach nur vorbeugen.

 Eleonora Miguel ist Lehrerin an der Realschule Golzheim. Schülern wie Nik (l.) will sie wieder Freude an der englischen Sprache vermitteln.

Eleonora Miguel ist Lehrerin an der Realschule Golzheim. Schülern wie Nik (l.) will sie wieder Freude an der englischen Sprache vermitteln.

Foto: Bernd Schaller

Freundin, Kumpels, Computerspiele und magische Tricks mit Spielkarten: Über die Gründe, warum er in Englisch und Latein ein "mangelhaft" bekam, muss Nik nicht lange nachdenken. "Ich habe mich von vielen außerschulischen Dingen ablenken lassen", sagt der 15-Jährige. Dass neben Latein auch Englisch zum Problem werden könnte, hatte der Junge aus Pempelfort nicht erwartet. Seine Eltern auch nicht. "Jetzt musst Du Dich mal richtig ins Zeug legen", lautete deren Botschaft, nachdem sie per "blauem Brief" (der heute in Wahrheit weiß oder grau ist) erfahren mussten, dass die Versetzung ihres Sprösslings gefährdet ist.

Ein Rat, den Nik nun beherzigt. Jeden Tag kommt er in die Schule, die er auch sonst besucht: das Friedrich-Rückert-Gymnasium in Rath und büffelt dort für die Englisch-Nachprüfung in anderthalb Wochen. Schafft er die, kommt er doch noch in die neunte Klasse. Wenn nicht, müsste er eine Ehrenrunde drehen. Doch das möchte Nik unbedingt vermeiden. "Wir verstehen uns in der Klasse gut, ich will mich nicht an lauter neue Leute gewöhnen müssen."

Szenenwechsel: Im Klassenraum mit der Nummer 35 schreibt Lehrer Niklas Bonnekessel den schönen Satz "Alle wissen, dass Helena die allerschönste Frau war" an die Tafel. Auf Latein. Denn am heutigen Vormittag steht der "ACI" (Akkusativ mit Infinitiv) auf dem Stundenplan. "Vor allem mit den Vokabeln habe ich zu kämpfen", sagt eine angehende Siebtklässlerin. "Auf der Kippe" stehe sie in dem schwierigen Fach. Damit das im kommenden Schuljahr besser wird, opfert sie die letzten beiden Ferienwochen. Bonnekessel ist froh, den Schülern helfen zu können. "Außerdem hilft es mir, meine didaktischen Fähigkeiten zu verbessern."

Im Rückert-Gymnasium bündelt die Stadt seit den frühen Siebziger Jahren ihre Nachprüfungs- und Förderangebote. Kurse gibt es außer in Latein und Englisch auch in Mathematik, Deutsch und Französisch. Die dafür angestellten Lehrer bekommen ihr Engagement bezahlt. 86 Euro lassen sich Eltern die 14-tägige Förderung in kleinen Gruppen kosten. Wer einen Düsselpass hat, weil die Eltern nicht so viel verdienen, zahlt nichts. "Düsseldorf war - inspiriert von der bildungspolitischen Öffnung in der Willy-Brandt-Ära - ein Pionier, Städte wie Köln haben nachgezogen, aber bis heute gibt es eine ganze Reihe Kommunen und Kreise, die die Vorbereitung auf eine Nachprüfung privaten Anbietern überlassen", sagt Gerd Lüngen. Der 65-jährige Vollblut-Pädagoge weiß, worüber er spricht. Seit mehr als 30 Jahren koordiniert der Mann, der für die CDU im Mettmanner Kreistag sitzt, die Förderkurse - auch nach seiner Pensionierung im vergangenen Jahr.

Zwei Motive treiben die Jungen und Mädchen aus dem ganzen Stadtgebiet nach Rath: Rund die Hälfte wurde nicht versetzt, erhält mit der Nachprüfung die letzte Chance, das noch zu ändern. Der Rest hat auch mit Defiziten und schlechten Noten zu kämpfen, kommt, um die ungeliebte "fünf" im nächsten Schuljahr möglichst schon im Vorfeld zu verhindern. Allerdings: Nachträglich abgeändert wird nur ein versetzungsrelevantes mangelhaft. "Alle anderen Noten, die im Zeugnis stehen, kann man nicht einfach im Nachhinein verbessern, es sei denn, man beschreitet juristische Wege." Lüngen, der lange Jahre Vize-Chef des Düsseldorfer Philologenverbandes war, glaubt, dass der Trend zu Einspruch und Klage in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Statistisch erfasst werde das aber nicht.

Nach den ersten Tagen blickt Nik optimistisch in die Zukunft: "Das Ganze macht mir Mut. Ich denke, dass ich das packen kann."

(RP)
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