Ruhestörung durch Musikkorps? Weckruf der Schützen verärgert Anwohner in Düsseldorf

Düsseldorf · In Düsseldorf hat sich eine Anwohnerin massiv über einen frühmorgendlichen Schützenumzug beschwert. Sie könne bei dem Lärm nicht schlafen. Ein Vorwurf, den Schützen oft zu hören bekommen. Sie werben für mehr Toleranz.

 Der „Tambour-Corps Derendorf“ hat in Düsseldorf eine Frau am frühen Sonntagmorgen um ihren Schlaf gebracht. Die Schützen waren mit Blasmusik aufmarschiert, um ein Vereinsmitglied zu wecken. (Archivbild Juli 2009)

Der „Tambour-Corps Derendorf“ hat in Düsseldorf eine Frau am frühen Sonntagmorgen um ihren Schlaf gebracht. Die Schützen waren mit Blasmusik aufmarschiert, um ein Vereinsmitglied zu wecken. (Archivbild Juli 2009)

Foto: Hans-Juergen Bauer

Es ist etwa 7.15 Uhr am Sonntagmorgen, als der Schützenverein St. Sebastianus Düsseldorf-Derendorf durch den Stadtteil Rath zieht. Dazu gibt es Paukenschläge und Blasmusik vom "Tambour-Corps Derendorf". Die Schützen sind gekommen, um ein verdientes Vereinsmitglied zu wecken. Doch nicht nur der Schützenbruder wird durch die Musik wach, sondern auch einige unbeteiligte Anwohner.

Eine betroffene Frau schimpft auf Facebook in Richtung der Schützen: "Ihr habt wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, um 7.15 Uhr durch die Siedlung laufen und alle zu wecken mit eurer Scheiß-Blasmusik". Der Sonntagmorgen sei für sie der einzige Tag in der Woche, an dem sie ausschlafen könne. "Ich hoffe, euch werden die Trompeten gestopft", schreibt sie weiter. Im sozialen Netzwerk bricht daraufhin eine Diskussion los. Einige User pflichten der verärgerten Frau bei, andere hingegen zeigen Verständnis für die Schützen.

Das Wecken ist ein zentraler Bestandteil des heimischen Schützen-Brauchtums. Es verlangt, dass die Spielleute mit ihrer Marschmusik die Schützen aus dem Bett trommeln. Hans-Dieter Caspers, stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft Düsseldorfer Schützenvereine erklärt: "Das Wecken ist ja keine Randale, diese Tradition wird schon seit dem 19. Jahrhundert durchgeführt." Bei den meisten Schützenvereinen beginnt die Prozedur nach der Nachtruhe, die nach dem Landesgesetz von 22 bis sechs Uhr morgens gilt.

Dennoch fühlen sich gelegentlich Anwohner durch den morgendlichen Trubel gestört. So ist in Grevenbroich im vergangenen Jahr ein Umzug wegen einer Anwohnerbeschwerde von der Polizei gestoppt worden, weil das Regiment-Corp bereits um fünf Uhr zu spielen angefangen hat. Allerdings mit einer Sondergenehmigung der Stadt.

"Nur einmal im Jahr"

Dirk Schurse, Geschäftsführer der in der Kritik geratenen Derendorfer Schützen, wirbt um Verständnis für die morgendliche Weck-Tradition. "Das ist eine kurze Sache, es dauert nur drei bis vier Minuten", erklärt er. "Wir können verstehen, wenn sich jemand gestört fühlt. Aber deshalb einen solchen Shitstorm loszutreten, ist daneben." Sein Verein wünsche sich mehr Toleranz. Immerhin gebe es das Wecken nur einmal im Jahr. "Da kann man das doch mal so hinnehmen."

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Anwohner in Düsseldorf kritisch über eine Veranstaltung von Schützen äußern. Vor fünf Jahren hat der Schützenverein St. Sebastianus im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk sogar schon einmal die Zugstrecke seines Festumzuges geändert — aus Sorge vor Pöbeleien von Gästen der dort ansässigen marokkanischen Cafés. Zudem sind Schützen in Düsseldorf auch mit rohen Eier beworfen worden. Und gelegentlich wird ein Eimer Wasser von einem Balkon gekippt.

Ralf Heinrichs, Geschäftsführer des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften, sind solche Fälle auch nur aus Düsseldorf bekannt. "Aus anderen Großstädten kenne ich das in der Form nicht", sagt Heinrichs. In Städten wie Neuss, aber auch in ländlicheren Gegenden herrsche eine größere Toleranz. "Da freut man sich, wenn morgens die Schützen kommen. Dann steht man kurz auf, winkt aus dem Fenster und dann legt man sich wieder hin", sagt er.

Abneigung gegen Brauchtum

Dennoch nehme er generell eine zunehmende Abneigung gegen Brauchtumsveranstaltungen wahr. "Während sich einige sehr engagieren, gibt es auf der anderen Seite welche, die gegen alles sind und sich über alles beschweren." Heinrichs führt Letzteres auf eine immer stärker um sich greifende soziale Vereinsamung zurück, die besonders in Großstädten zu beobachten sei. Dabei bringe eine Veranstaltung wie ein Schützenumzug Leben in die Stadtteile. Dann sei Musik auf der Straße. "Dadurch kann eine Kultur des Miteinanders entstehen" betont Heinrichs.

Davon will auch der Tambour-Corps Derendorf die verärgerte Anwohnerin überzeugen und hat sie deshalb zu sich eingeladen. Eine Zusage von ihr steht noch aus. Ihren Eintrag auf Facebook hat sie aber mittlerweile gelöscht.

(tak/csh)
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