Düsseldorf Schulräume statt leerstehender Büros

Düsseldorf · Die Politik will Gewerbeflächen umwandeln und so die Schulbau-Kosten von insgesamt 640 Millionen Euro senken.

 In das IDR-Gebäude an der Theodorstraße ziehen im August vorübergehend die Schüler des Jüdischen Gymnasiums ein.

In das IDR-Gebäude an der Theodorstraße ziehen im August vorübergehend die Schüler des Jüdischen Gymnasiums ein.

Foto: Andreas Bretz

Mehr Schüler, mehr Ganztag, mehr gemeinsamer Unterricht für Kinder mit und ohne Handicap: Beim Thema Schulbau steht die Stadt unter Druck. 6500 Schüler müssen bis 2020 zusätzlich versorgt, mehr als 400 Unterrichtsräume neu geschaffen werden. Doch wie realistisch ist der Vorschlag der Schulpolitiker von SPD, Grünen und FDP, leerstehende Büros als Schulräume zu nutzen?

Der Leerstand Auf knapp 700.000 Quadratmeter schätzt Birthe Nordhues, beim Makler Aengevelt Teamleiterin für gewerbliche Immobilien, die ungenutzten Flächen im Bereich Büros und Gewerbe. Davon komme allerdings nur ein Bruchteil für die schulische Nutzung infrage. "Eigentümer werden vor allem Flächen vermieten, die länger als drei oder fünf Jahre nicht genutzt wurden", sagt Nordhues. Die Makler sprechen dann von einem strukturellen Leerstand. In Düsseldorf schätzt Nordhues dieses Segment auf rund 130.000 Quadratmeter. "Zieht man davon die Objekte ab, die aus baulichen Gründen nicht geeignet sind oder zu weit von Wohngebieten entfernt liegen, bleiben am Ende vielleicht 30.000 oder 40.000 Quadratmeter." Zum Vergleich: Schulbau-Experten berechnen für einen üblichen Klassenraum rund 60 Quadratmeter Fläche. Für Düsseldorf heißt das: Rund 25.000 Quadratmeter müssen in den kommenden fünf Jahren zusätzlich entstehen. Rein rechnerisch wäre es also möglich, diesen Bedarf über Büroflächen zu decken. Doch so einfach ist es nicht.

Die Hindernisse Braucht eine Schule beispielsweise fünf zusätzliche Klassenräume können diese nicht einfach in einem zwei Kilometer entfernten Bürogebäude entstehen. Auch die Auslagerung einer einzelnen Jahrgangsstufe sieht Florian Dirszus, städtischer Projekt-Leiter für Schulbau, kritisch: "Wir halten nicht viel von Dependancen. Meist passt eine solche Auslagerung nicht in die Schulabläufe. Zudem müssten wir unter anderem Mensen und Sozialräume dort ein zweites Mal anlegen." Weitere mögliche Probleme sind der Schulhof (kann auf einer Dachterrasse liegen, muss sich aber in jedem Fall ganz oder teilweise draußen befinden) sowie denkbare Konflikte mit Büronutzern in unmittelbarer Nachbarschaft, zum Beispiel wegen lauter Schüler auf dem Weg in die Pause.

Die Möglichkeiten Dass eine Nutzung grundsätzlich denkbar ist, zeigt das Beispiel Jüdisches Gymnasium. Bis ein Neubau in drei Jahren bezogen werden kann, nutzt die Schule eine vormals leerstehende Büroetage in einem Gebäude an der Theodorstraße in Rath. Das gehört der städtischen Immobilientochter IDR. Aktuell laufen die Umbauten, im August starten die ersten Klassen. Vor allem im Linksrheinischen und in der Innenstadt hoffen die Politiker auf weitere Möglichkeiten, Büroflächen umwidmen zu können. "Comenius- und Cecilien-Gymnasium in Ober- und Niederkassel platzen aus allen Nähten und am Seestern stehen die Büros leer. Das kann man doch zusammenbringen", sagt FDP-Schulexperte Mirko Rohloff.

Die Vorteile Rohloff hofft zudem, durch die verstärkte Nutzung von Büroflächen die enormen Schulbau-Kosten von 640 Millionen Euro (bis 2020) reduzieren zu können. "Umbau ist in den meisten Fällen günstiger als Neubau", sagt er. Das sieht Dirszus allerdings anders. "Brandschutz, Alarmierungssysteme, neue oder verschobene Wände: In den meisten Fällen ist ein Umbau im Bestand sogar teurer als ein Neubau." Für Rohloff hat eine Büroflächen-Nutzung aber noch einen ganz anderen Vorteil: "Der Trend, dass immer mehr junge Menschen und Familien nach Düsseldorf ziehen, wird nicht jahrzehntelang anhalten. Auch Düsseldorf wird irgendwann strukturell altern. Wenn wir jetzt alles für viel Geld neu bauen, stehen eines Tages Schulen leer. Genau das kann uns bei gemieteten Flächen nicht passieren."

Die Makler "Einen Tag, nach dem das Anliegen der Politik öffentlich wurde, hatte ich 40 Exposés von Maklern auf dem Tisch liegen", berichtet Dirszus. Das Interesse sei offenbar sehr groß. "Büro- in Schulraum umzuwidmen, ist im Zweifel einfacher als klassischen Wohnraum daraus zu machen. Die Idee ist gut", sagt Marcel Abel vom Makler JLL. "Als Student habe ich Vorlesungen im Multiplex-Kino gehabt, warum soll nicht Unterricht auf einer dafür geeigneten und umgebauten Büroetage funktionieren?", sagt Jörg Schnorrenberger vom Ring deutscher Makler. So könne man doch beispielsweise prüfen, ob die neu zu errichtende Realschule Golzheim im Leerstand des Fashion Houses ihr neues Domizil findet.

(jj)
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