Düsseldorf Sozialhilfe der toten Nachbarin kassiert?

Düsseldorf · Fast drei Jahre lang soll ein 30-Jähriger in Eller Sozialleistungen für eine längst gestorbene Nachbarin kassiert haben. Der Schwindel fiel erst auf, als das Skelett der Frau entdeckt wurde. Die Staatsanwaltschaft will Betrugsanklage erheben.

 Die Jägerstraße in Eller: Hier lebte die Frau in einer kleinen Wohnung. Hier soll sie auch gestorben sein. Ihr Leichnam blieb über Jahre unentdeckt, auf ihrem Tisch lag noch die Fernsehzeitung von 2009.

Die Jägerstraße in Eller: Hier lebte die Frau in einer kleinen Wohnung. Hier soll sie auch gestorben sein. Ihr Leichnam blieb über Jahre unentdeckt, auf ihrem Tisch lag noch die Fernsehzeitung von 2009.

Foto: Schaller,Bernd

Niemand weiß etwas, niemand sah etwas, und eigentlich hat auch niemand wirklich Lust zu reden. "Natürlich fragt man sich, wie das passieren konnte", sagt eine Frau, doch erstens habe man nichts gemerkt, und zweitens: "Kennen Sie denn alle Ihre Nachbarn?" Und damit schließt sie ihre Tür in dem Mehrfamilienhaus an der Jägerstraße in Eller.

Glaubt man einigen der Bewohner, ist an dem Haus nichts Besonderes, und doch hat sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hier ein Drama abgespielt, das demnächst auch vor Gericht aufbereitet wird. Es geht um eine schwerkranke Frau, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnte. Jahrelang erledigte ein Nachbar (30) alle Besorgungen für sie. Jetzt aber soll eben jener Helfer vor Gericht kommen. Laut Staatsanwaltschaft hat er den Tod der Frau mehr als drei Jahre verheimlicht, hat den Leichnam in der Single-Wohnung liegenlassen, bis die Tote skelettiert war, um weiterhin Sozialunterstützung für die Frau zu kassieren. Mit seiner Freundin (31) steht er nun im Verdacht des Serienbetruges und der Urkundenfälschung. Der Schaden für die öffentlichen Kassen wird auf mindestens 20.000 Euro geschätzt.

Das Schicksal der Frau und das Vorgehen des Paares sollen die Ermittler akribisch geklärt haben. Ungewiss bleibt aber, wann die Mieterin gestorben ist. Als die skelettierte Leiche bei einer gewaltsamen Wohnungsöffnung im März 2013 entdeckt wurde, konnten Gerichtsmediziner nur feststellen, dass offenbar kein Fremdverschulden vorlag. Und; Die Frau lag mindestens ein Jahr tot in ihrer Wohnung. Die Bewohner des Hauses wollen sie jedenfalls nicht kennen, was aber nicht weiter verwundert. "Hier ziehen viele ein und aus", sagt einer.

Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass die Frau schon seit Herbst 2009 tot ist. Demnach wurde sie nur 57 Jahre alt. So wurde ein nicht eingelöster Verrechnungs-Scheck von 2009 in den kargen Räumen der Sozialempfängerin gefunden. Und auf ihrem Wohnzimmertisch lag ein TV-Programm vom September 2009. Das Jobcenter hat dennoch monatlich Sozialleistungen als Grundsicherung plus Wohnungsmiete für die Frau bis August 2012 überwiesen. Dem jetzt als Betrüger verdächtigten Nachbarn wird vorgeworfen, die Zahlungen ab Mai 2010 erst aufs Konto seiner Freundin umgeleitet zu haben. Als deren Betreuerin dann auffiel, dass die 31-Jährige dadurch zweimal monatlich Geld vom Jobcenter erhielt, soll der Nachbar der Toten ein weiteres gefälschtes Schreiben ans Jobcenter geschickt und darin namens der Toten mit gefälschter Unterschrift beantragt haben, alle Sozialleistungen jetzt auf sein Konto zu zahlen.

Mitte 2012 lud das Jobcenter die Frau aber zum Gespräch vor. Als sie nicht erschien, wurden die Zahlungen eingestellt. Entdeckt wurde die Leiche erst, als ein Polizist die Frau Anfang 2013 vernehmen wollte. Als der Beamte zur Wohnungstür kam, fiel ihm ein Siegel auf. Das hatte schon im Februar 2012 ein Hausmeister angebracht, um zu prüfen, ob die Wohnung überhaupt noch genutzt wurde. Weil das Siegel ein Jahr danach noch immer intakt war, ließ der Ermittler die Tür aufbrechen. Beide Tatverdächtigen sollen über Jahre nicht nur den Briefkasten geleert, sondern beim Jobcenter mit gefälschter Unterschrift auch immer neue Verlängerungen der Sozialleistungen beantragt haben. Der Nachbar ist wegen Betrügereien polizeibekannt. Er schweigt zu den Vorwürfen, ebenso seine Freundin.

(RP)
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