Lokalsport Boll ist müde -aber sehr gut drauf

Düsseldorf · Deutschlands populärster Tischtennisspieler hat gerade die WM beendet und schon die Mannschafts-Meisterschaft mit Borussia im Visier. Der 36-Jährige kokettiert ein wenig mit dem Alter - und glänzt mit überragender Leistung.

Das Gute am Tischtennis sei, so sagte der Weltranglisten-Fünfte Dimitrij Ovtcharov nach seinem Achtelfinal-Aus bei der WM in den Düsseldorfer Messehallen, dass man nicht zwölf Monate auf den nächsten großen Wettbewerb warten müsse. Für Timo Boll sind es sogar nur ganze sechs Tage: Am vergangenen Sonntag schied der 36-Jährige nach einem begeisternden Viertelfinal-Match (2:4) gegen seinen chinesischen Doppelpartner und späteren Weltmeister Ma Long aus, am Samstag schon absolviert er mit seinem Klub Borussia Düsseldorf ab 13 Uhr in der Frankfurter Fraport-Arena das Finale um die Deutsche Mannschafts-Meisterschaft.

Er tut dies in der Gewissheit, in glänzender Wettkampf-Verfassung zu sein. "Timo hat bei der WM sehr gut gespielt, im Einzel ebenso wie im Doppel", attestiert ihm Bundestrainer Jörg Roßkopf. "Er hatte Ma Long, immerhin den derzeit besten Spieler der Welt, so weit, dass er nervös wurde und Fehler machte. Timo war in der Form, bei der WM noch mehr zu erreichen."

Wieder stand dem gebürtigen Hessen dabei ein Chinese im Weg. Wie schon bei den beiden Weltmeisterschaften zuvor, erneut in der Runde der letzten acht. "Das ist schon ein bisschen traurig", erklärt Boll. Nun ist er jedoch nicht der Typ, diese Trauer allzu lange mit sich herumzuschleppen. "Ein wenig Zeit brauche ich jetzt natürlich, um nach der WM herunterzukommen", verrät er im Gespräch mit unserer Redaktion. "Deshalb werde ich jetzt ein, zwei Tage mal gar nichts machen. Und dann geht's wieder mit Volldampf weiter in Richtung Meisterschafts-Finale in Frankfurt."

Mit seiner Leistung bei der Heim-WM ist Boll zufrieden, nicht jedoch mit den letzten Ergebnissen. "Es hat zwar unheimlich viel Spaß gemacht, ein solches Turnier in Düsseldorf zu spielen, ich werde das nie vergessen. Aber ich bin ehrgeizig, ich will am Ende auch gewinnen." Und dagegen hatte Ma Long im Einzel-Viertelfinale eben etwas. "Er hatte es am Ende verdient, weil er sich nach meiner 8:4-Führung im sechsten Satz im Stile eines Champions zurückgekämpft hat", meint Boll. "Ich bin ein Fan von Ma Long, nicht nur, weil ich jetzt schon mehrfach mit ihm ein Doppel bilden durfte. Er ist ein feiner Mensch, ein guter Typ und zu Recht die Nummer eins der Tischtennis-Welt."

Die deutsche Nummer eins im Mannschafts-Tischtennis ist seit Jahren die Borussia. Seit Boll 2007 aus Grenzau an den Rhein wechselte, haben die Düsseldorfer acht der neun Endspiele um den nationalen Titel gewonnen. Am Samstag, daran lässt der 36-Jährige keinen Zweifel, soll gegen den TTC Fulda-Maberzell der nächste Meistertitel folgen. Es wäre die Nummer 29 in der Borussia-Sammlung und - Pokal sowie europäische Wettbewerbe eingerechnet - der 68. Titel. Eine Erfolgsgeschichte, die lange vor Boll begann, die aber in jüngerer Zeit entscheidend von ihm geprägt ist.

"Ich freue mich riesig auf das Finale", betont er. "Es wird ein heißes und bestimmt sehr enges Match. Man muss doch nur sehen, wie großartig Maberzells Ruwen Filus bei der WM gespielt hat. Er hat dem Chinesen Fan Zhendong bei seinem 2:4 im Achtelfinale einen harten Kampf geliefert. Und Fan ist am Ende Vizeweltmeister geworden."

Neben seinem Nationalmannschafts-Kollegen Filus bringt Boll auch dem übrigen Maberzeller Team großen Respekt entgegen. Das heißt freilich nicht, dass er bereit ist, Borussias stolze Serie von drei Deutschen Meisterschaften in Folge unterbrechen zu lassen. "Es hat anfangs zwar ein bisschen in den Oberschenkeln gebritzelt, aber das Doppel mit Ma gegen Chinas Weltmeister-Duo Fan Zhendong/Xu Xin war die ideale Vorbereitung auf alles, was danach noch kommen kann", berichtet Boll. "Selbst das WM-Einzel gegen einen europäischen Klassemann wie den Polen Jakub Dyjas kam einem danach vor wie Tischtennis in Zeitlupe." Und wie steht es um die eigene Fitness? "Ein bisschen müde ist der alte Kadaver jetzt schon", sagt er schmunzelnd. "Aber es ist gut zu wissen, dass er immer noch gut drauf ist."

(jol)
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