Lokalsport Eklat im Ring

Düsseldorf · Suleyman Dag schlägt Stefan Freudenreich, den Trainer seines Gegners Jay Spencer, und wird von Letzterem niedergestreckt. Das ist aber nur der Auftakt des Eklats, den 800 Zuschauer voller Entsetzen miterleben.

Der Frust ist groß, als Suleyman Dag vor der zweiten Runde signalisiert, dass er nicht mehr weiterkämpfen will. Es ist der vierte Kampf an diesem Profi-Boxabend im Stahlwerk. Der erste hatte nach nur 24 Sekunden ein jähes Ende gefunden, der zweite nach 2:34 Minuten, der dritte nach immerhin 2:20 in der zweiten Runde. Warum der unterlegene Dag nach nur einer Runde aufgeben will, versteht kaum einer der über 800 Zuschauer, die dann Zeugen einer filmreifen Szene werden. Dag deutet auf seinen Arm, als habe er einen Schlag darauf bekommen und könne deshalb nicht weitermachen. Der 36 Jahre alte Profi erntet dafür Pfiffe und Gelächter aus dem Publikum.

Auch Stefan Freudenreich, Trainer der Düsseldorfer Boxer und Mitveranstalter, zeigt wenig Verständnis. "Was soll der Scheiß", fragt er, als Dag in die Ecke kommt. Der dreht durch und schlägt Freudereich, der blitzschnell reagiert und glücklicherweise nur an der Schulter getroffen wird. Der Beginn des Eklats. Spencer fackelt nicht lange und streckt Dag mit einer blitzsauberen Geraden nieder. Sebastian Tlatlik, der zwei Kämpfe zuvor seinen Titel als Deutscher Meister verteidigt hat, stürmt in den Ring und springt mit beiden Beinen in Richtung des am Boden liegenden Dag - wie beim Wrestling. Spencer hält seinen Kameraden gedankenschnell von weiteren Dummheiten ab. Inzwischen sind rund ein Dutzend Personen im Ring. Tumulte, die jedoch nach acht, neun Sekunden beruhigt sind.

Ringarzt Michael Löbbert klettert zum wiederholten Mal an diesem Abend in den Ring. Er versorgt Dag, der äußerlich keinerlei Deformation zeigt, auch nicht blutet. Um innere Verletzungen auszuschließen, wird er ins Krankenhaus gebracht. "Es tut uns leid, dass sie das mitansehen mussten", sagt der Ringsprecher. "Das war des Boxsports unwürdig. Dennoch werden wir den Kampfabend fortsetzen." Im Laufe des Abends macht das Gerücht die Runde, Tlatlik habe Dag gar nicht getroffen, das werde durch die Bilder einer Videoaufzeichnung belegt.

Und noch etwas spricht dafür: Dag hat sich um Mitternacht selbst aus dem Krankenhaus entlassen und ist noch einmal zum Stahlwerk gefahren. Es kam zu einer kurzen Aussprache mit Tlatlik, wobei die beiden zu dem Ergebnis kamen, künftig einander aus dem Weg zu gehen. Weitaus wichtiger dürfte Dag jedoch gewesen sein, die Börse mitzunehmen.

Am Ende des Abends bekommen die Freunde des Boxsports aber auch noch einen sehenswerten Kampf geboten. Der 23 Jahre alte Aria Najafi und der erst 18 Jahre alte Dominik Tietz aus Essen zeigen einen sauberen, fairen Faustkampf. Der von Stefan Freudenreich trainiert Najafi ist technisch besser, wirkt abgeklärter, doch sein Gegner beweist ein großes Herz. Nicht erst, als mit dem Holzhammer, wo "Uerige" drauf steht, die letzten zehn Sekunden angezählt werden, sind die beiden Boxer ausgelaugt. Sie sind ein hohes Tempo gegangen, haben sich wahrhaft ausgepowert. Der Punktsieg für Aria Najafi geht völlig in Ordnung. Ein Selbstläufer war es aber nicht. Dabei machte dem Düsseldorfer nicht nur der Gegner zu schaffen. In der Vorbereitung hatte er einen grippalen Infekt, dann musste er neun Kilo Gewicht machen und schließlich erlitt er - wie sich gestern herausstellte - in der sechsten Runde einen Handbruch. Ohne seinem Trainer etwas von den Schmerzen zu sagen, kämpfte er tapfer weiter und holte den Titel.

Stefan Freudenreich verspürt erst jetzt die Blessur von Dags Schlag, zieht sein T-Shirt hoch und zeigt die Spuren. "Ich habe nur an den Kampf von Aria gedacht und mich darauf konzentriert", sagt er.

(ths)
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