Betagtes Wunderkind aus Düsseldorf 94-Jähriger lernt Altgriechisch

Düsseldorf · Wieviel Sprachen sprechen Sie - und wann wollen Sie die nächste lernen? Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät. Das beweist Wolfgang Haferkorn. Der ist 94 und ist gerade mit Altgriechisch eingestiegen. Porträt eines Mannes, der seinen Wissenshunger bewahrt hat.

 Wolfgang Haferkorn ist stolze 94 und ein leidenschaftlicher Altgriechisch-Schüler mit großen Ambitionen.

Wolfgang Haferkorn ist stolze 94 und ein leidenschaftlicher Altgriechisch-Schüler mit großen Ambitionen.

Foto: Andreas Bretz

Er interessiert sich brennend für Literatur, und über Bücher kam Wolfgang Haferkorn auch auf die Idee, Altgriechisch zu lernen, genau genommen über Goethe. "Er bezieht sich so oft auf die griechische Mythologie und die Antike, das wollte ich verstehen und selbst lesen können", sagt der 94-Jährige.

Jetzt ist er treuer Kunde im "Sprachcaffe GoAcademy", jeden Tag paukt er hier eine Stunde lang fleißig Vokabeln und Grammatik. Für seinen Lehrer Evangelos Athanasiou ist das fast wie ein kleines Wunder: Denn er hätte - wie viele andere auch in Haferkorns Umfeld - nicht gedacht, dass der stattliche Herr dieses Pensum durchhalten würde. Für den besonderen Lernprozess hat sich das Duo einen ausgefallen Ansatz überlegt: Jede Stunde beginnt Haferkorn damit, dass er über eine griechische Briefmarke aus seiner eigenen Sammlung spricht und über einen aktuellen Zeitungsartikel über Griechenland, um dann zum Opus Magnum überzugehen: Homer. Dadurch will der agile Ausnahme-Schüler das Neue mit dem Alten verbinden. Stumpfe Grammatik abzuarbeiten, ist nicht sein Ding.

Erst vor einem Jahr hat sich Haferkorn dazu entschlossen, Altgriechisch zu lernen, und er ist mit seinen 94 Lenzen Athanasious ältester Schüler - und vermutlich generell einer der betagtesten in ganz Deutschland. Momentan liest der willensstarke Mann konsequent die legendäre und recht anspruchsvolle "Ilias" von Homer. Recht zügig will er sich dann der "Odyssee" annehmen, das Werk ist das zweite dem griechischen Dichter Homer zugeschriebene Epos. Sein Lehrer habe ihn dazu inspiriert, denn er habe sehr von der poetischen Kraft darin geschwärmt. Widerstand ist da zwecklos. Zwar ist die "Odyssee" - zumal auf Griechisch - extrem anspruchsvoll, aber Haferkamps Begeisterung und Eifer sind nicht zu stoppen.

Durchsetzungsstark war er schon immer: Vor seiner Pensionierung arbeitete Haferkorn als Geschäftsführer bei der Druckerei- und Verlagsgruppe Bagel. Bereits seit 1947 lebt er in Düsseldorf, "eine Stadt, die ich sehr mag und schätze". Geboren wurde er übrigens im damaligen Sudetenland, was offenbar mit für eine besondere Sprachfreude sorgte: Neben Deutsch und Tschechisch spricht er nun auch etwas Französisch, Latein und Englisch.

Reisen nach Griechenland will der Sprachschüler interessanterweise nicht: "Dafür bin ich nun wirklich zu alt", sagt er kokett. "Wenn, dann würde ich mit der Eisenbahn fahren, mir gefällt es, mich langsam dem Ziel zu nähern und zu sehen, wie die Landschaft sich auf dem Weg verändert." Zuerst ginge es dann natürlich nach Athen, danach über die Kykladen bis nach Kreta - so sein Traum. "Ich muss mir doch einen Eindruck von allem machen." Ein Abstecher nach Thermopylen wäre auch schön, denn der Sparta-König Leonidas und seine legendäre Schlacht an dem Pass dort habe es ihm besonders angetan. "Das mache ich aber nur, wenn mein Lehrer Evangelos mitkommt", sagt er lächelnd. Julietta Bandel

(RP)
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