Porträt Der Taximann und seine Gäste der Nacht

Düsseldorf · Wie mag ein so prominenter Mensch wie Campino sich wohl ein Taxi organisieren? Bestellt der sich eins über den Kellner im Restaurant? Stellt er sich einfach an die Straße? Darüber hatte sich Jürgen Koll schon früher mal Gedanken gemacht.

 Fährt nur nachts und am liebsten durch die Innenstadt: "Der Taximann" Jürgen Koll, der immer eine Kamera dabei hat.

Fährt nur nachts und am liebsten durch die Innenstadt: "Der Taximann" Jürgen Koll, der immer eine Kamera dabei hat.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Wie mag ein so prominenter Mensch wie Campino sich wohl ein Taxi organisieren? Bestellt der sich eins über den Kellner im Restaurant? Stellt er sich einfach an die Straße? Darüber hatte sich Jürgen Koll schon früher mal Gedanken gemacht.

Seit kurzem weiß er es: Campino stellt sich an die Straße und winkt sich einfach ein Taxi ran. In diesem Fall saß Jürgen Koll hinterm Steuer. "Ein total netter Typ", befand er hinterher. Koll selbst nennt sich "Taximann", und so heißt auch sein Blog, den er im Internet führt.

"Einfach bei Google Taximann eingeben", erklärt er. Seit 2006 fährt der Düsseldorfer Taxi. Als selbstständiger Werbefilmer lief es bis dahin nicht so gut, wie er sich erhofft hatte. Also zu Rheintaxi, die "echt schwierige" Taxiprüfung abgelegt — und ab dann durch die Stadt kutschiert. "Schon bei der Prüfung habe ich Düsseldorf noch mal ganz anders kennengelernt."

Und jetzt fährt er halt Taxi — und hat richtig Spaß daran. Er fährt nur nachts, das heißt von 17 bis 5 Uhr. Er steht nicht an den üblichen Plätzen wie Heinrich-Heine-Allee oder Flughafen, sondern fährt fast komplett private Buchungen oder eben spontane Zufallsfahrten. "Meine Freunde buchen mich, Gastronomen und Kellner aus der Altstadt, oder eben Stammgäste." Alle müssen aber damit rechnen, dass Koll sie fotografiert — natürlich mit ihrer Genehmigung.

Wenn der Taximann dann Feierabend hat, setzt er sich an seinen Computer und stellt alles ins Netz: Fotos von seinen Gästen der Nacht, Erlebnisse, aber auch aktuelle Baustellen, ausgefallene Ampeln. Auch neue Straßennamen gibt er weiter. Sobald ein Neubaugebiet entsteht, guckt er es sich an, notiert sich die neuen Straßennamen, damit er dann den Gast, der dorthin will, zügig nach Hause bringen kann.

"Ich bin doch Dienstleister", sagt der 58-Jährige, der weiß, dass er mit seinem Nachtjob nur wenige private soziale Kontakte pflegen kann. Darum geht er auch gerne in sein zweites Wohnzimmer, das "Kreuzherreneck", um Freunde zu treffen. Ganz in der Nähe, im "Blues Corner", durfte er vor einigen Jahren auch schon mal seine Fotos ausstellen.

Ansonsten sieht er sich als Beichtvater, Kummerkasten und Gesprächspartner. "Einige Gäste schaffen es bei einer zehnminütigen Fahrt, mir ihr ganzes Leben zu erzählen." Was ihn an seinem Beruf so fasziniert, fasst er in einem Satz zusammen: "An einem Abend habe ich mal den obersten Metro-Manager gefahren und wenig später einen ziemlich angetrunkenen Obdachlosen am Worringer Platz aufgelesen — genau diese Bandbreite liebe ich an meinem Beruf." Oder, dass er die letzte Fahrt über den Tausendfüßler fahren durfte. Zur Musik von Van Morrison.

Die Fahrgäste, die zu ihm in den Wagen steigen, sind meistens überrascht über ihn als den offenen, kommunikativen Typen. "Viele denken, sie sitzen im Quiz-Taxi." Mit dem kutschierte Schauspieler Martin Kessler lange durch Berlin und machte daraus ein Fernsehformat. Vielleicht macht Koll jetzt erst mal aus allen Blog-Bildern einen Kalender und schenkt den seiner Heimatstadt zum 725. Geburtstag.

Anke Kronemeyer

(RP)
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