Handgemachtes Die große Sehnsucht nach der alten Zeit

Düsseldorf · Dieses Szenario kennen viele: Der Versuch, in mühevoller Kleinarbeit Strümpfe in Grau, Schwarz oder Dunkelblau zu Paaren zu sortieren, scheitert kläglich. So ähnlich erging es der Unternehmerin Caroline te Neues jahrelang, bis sie sich - als Mutter von vier Söhnen - irgendwann für 1800 Euro eine Strickmaschine kaufte und in die Wäsche der Familie die jeweiligen Initialen stickte.

 Unternehmerin Caroline te Neues bedient mit ihrer Marke My Monogram die Sehnsucht nach Tradition.

Unternehmerin Caroline te Neues bedient mit ihrer Marke My Monogram die Sehnsucht nach Tradition.

Foto: Andreas Bretz

Dieses Szenario kennen viele: Der Versuch, in mühevoller Kleinarbeit Strümpfe in Grau, Schwarz oder Dunkelblau zu Paaren zu sortieren, scheitert kläglich. So ähnlich erging es der Unternehmerin Caroline te Neues jahrelang, bis sie sich - als Mutter von vier Söhnen - irgendwann für 1800 Euro eine Strickmaschine kaufte und in die Wäsche der Familie die jeweiligen Initialen stickte.

Diese eher private Idee kam so gut an, dass sie später My Monogram an der Kö gründete. Mützen, Schals, Frotteetücher, Boxershorts, Socken, Kissen, Fleecedecken, Handtücher, Tischdecken, Servietten, Schürzen und sogar ein Hundehalsband warten seither in ihrem Online-Shop darauf, konfiguriert und inklusive eines persönlichen Monogramms verschickt zu werden. Besonders ist auch die Stoffqualität, denn sie arbeitet mit namhaften Markenherstellern zusammen. Die Kunden sollen ihre Wertschätzung spüren. "Je schnelllebiger die Zeit, desto größer wird unsere Sehnsucht nach Bestand", beobachtet die Unternehmerin. Samt, Kaschmir, Fleece, feines Leder und Leinen sind die My-Monogram-Materialien. "Es gehört offenbar zu unseren tiefsten Sehnsüchten, dass wir sie gerne um uns haben", sagt sie. Und besonders in der Weihnachtszeit, in der die Menschen sich auf alte Werte besinnen würden und vielleicht ohnehin etwas sensibler seien, stehe das Telefon nicht still und die Klickzahlen im Shop schnellten nach oben. Ganz ähnliche Erfahrungen macht Hans-Friedrich Weigel - der letzte Maßschneider, der tatsächlich noch an der Adresse Königsallee aktiv ist. Seit 20 Jahren kleidet er an der Edelmeile seine Kundschaft so passgenau wie möglich mit teurem Tuch ein. "Ich werde mit den Herrschaften alt", sagt er stolz und streichelt sanft über Bahnen edlen Zwirns aus den Traditionshäusern Scabal, Loro Piana sowie Holland & Sherry. "Es ist eine Lebensentscheidung, ob ich mir einen Anzug von der Stange hole oder möchte, dass mir mein Schneider gut 75 Stunden lang meinem ganz persönlichen Anzug näht", weiß er. "Man darf nicht vergessen: Jemand, der ein tolles Tuch trägt und einen perfekt sitzenden Anzug, der fühlt sich vielleicht auch wertvoller."

Diese scheinbar ungebrochene Lust auf Selbstgemachtes, nach den guten alten Materialien wie Filz, Wolle und Leder - die Düsseldorfer Diplom-Psychologin Gabriele Birnstein hat sich mit diesen Themen im Laufe ihres Berufslebens immer wieder intensiv auseinandergesetzt: "Statt sich sicher zu fühlen, sind heute viele Menschen irritiert und überfordert angesichts der zunehmenden Komplexität ihrer direkten Umwelt und der zunehmenden politischen Instabilität weltweit." Der "Rückzug ins Private, in vertraute Traditionen" ist ihrer Meinung nach ein Ausdruck der allgemeinen gesellschaftlichen Verunsicherung. Der Wunsch nach "der guten alten Zeit" drücke auch das Grundbedürfnis des Menschen nach Wärme, Geborgenheit und Sicherheit aus.

Monogramme wie bei Caroline te Neues und Maßanzüge bei Hans-Friedrich Weigel sind nur zwei Beispiele für eine Szene, die auch in Düsseldorf stark ist.

Lea Lou Kersting betreibt ihre Sattlerei in Flingern seit 2012. Sie bietet Handtaschen, Maßgürtel, Hundehalsbänder, Portemonnaies und viele weitere Accessoires handgefertigt aus Leder. "Hier riecht es aber gut nach Leder" - das ist das Erste, was viele sagen, wenn sie ihren Laden betreten. "Es ist für viele doch etwas Anderes, zum Beispiel eine Handtasche direkt vom Sattler zu bekommen als aus dem Kaufhaus. Ich würde es fast als eine Art Gefühl beschreiben", sagt Kersting.

Barbara Harzheim gründete ihr kleines Label "Glücklichmacher" vor drei Jahren und bietet seither Handgemachtes aus Stoff vor allem im Internet und auf Märkten an. Eine sogenannte Mitwachshose für Kinder gehört dazu, aber auch Sweatshirts und Kleider. Ihre Fans schätzen die Qualität - und das Wissen, dass ihre Kinder Einzelstücke fernab von der Masse tragen. "Der Trend geht eindeutig in die Richtung, dass die guten alten Dinge wieder geschätzt werden." Brigitte Pavetic

(RP)
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