US-Amerikaner ist Fan der Düsseldorfer Band Gestatten, mein Name ist Kraftwerk

Düsseldorf · Es gibt Dinge, die sind wohl überall auf der Welt langweilig. Aber sie müssen es nicht sein. David Sanborn ist es gelungen, einen Gang zum Verkehrsamt so zu inszenieren, dass danach weltweit über ihn berichtet wird. Eine Geschichte über eine große Fanleidenschaft und mediale Mechanismen der Gegenwart.

 Dieses manipulierte Foto von seinem Führerschein ließ viele glauben, dass Sanborn sich in Kraftwerk umbenannt hat.

Dieses manipulierte Foto von seinem Führerschein ließ viele glauben, dass Sanborn sich in Kraftwerk umbenannt hat.

Foto: David Sanborn

Die Ausgangssituation war profan: Der 48-jährige US-Amerikaner war mit seiner Verlobten nach Florida gezogen und musste daher seinen Führerschein erneuern lassen. Nachdem seine Partnerin Jennifer aus Spaß als 50er-Jahre-Starlet zum Amt gegangen war, entschloss sich David Sanborn dazu, noch einen draufzusetzen. Da er seit seiner Kindheit Fan der Düsseldorfer Band Kraftwerk ist, kleidete er sich wie die Musiker auf ihrem Album-Cover von "Die Mensch-Maschine" von 1978. Anschließend ließ er sich bei alltäglichen Dingen fotografieren, fuhr zum Amt und ließ sich den Führerschein mit einem Bild im Kraftwerk-Look ausstellen. Später änderte er mit einem Bildbearbeitungsprogramm auf einem Foto von dem neu erworbenen Dokument seinen Namen und seine Unterschrift in "Kraftwerk". Dann lud er die Fotos mit knappen Beschreibungen unter dem Titel "Kraftwerks großer Tag" ("Kraftwerk's Big Day") bei dem Bilderdienst Flickr hoch. Das war Ende Oktober 2015. Es passierte nichts - bis Mitte Juli.

 David Sanborn kleidete sich wie Kraftwerk auf ihrem Album "Die Mensch-Maschine". Anschließend ließ er sich in Alltagssituationen fotografieren.

David Sanborn kleidete sich wie Kraftwerk auf ihrem Album "Die Mensch-Maschine". Anschließend ließ er sich in Alltagssituationen fotografieren.

Foto: David Sanborn

"Mann in Florida ändert seinen Namen in Kraftwerk" schrieben ab 19. Juli so oder ähnlich viele Blogs und Online-Magazine in den USA, Kanada und Mexiko. Die Geschichte fing an, sich zu verselbstständigen. Auch die Internet-Ausgabe des britischen New Musical Express (NME), eines der relevantesten Musikmagazine der Welt, berichtete über diesen mysteriösen Mann aus dem Süden der USA, der seinen Namen gegen den einer Band aus Düsseldorf eingetauscht hatte. Diese Woche wurde es David Sanborn dann zu bunt. In einer Online-Plattform für Auto-Rezensionen outete er sich als der Mann, der angeblich Kraftwerk heißt. Er sei "absolut überrascht" gewesen über die mediale Aufmerksamkeit, die ihm zuteilgeworden sei, schrieb er dort unter anderem.

 Sanborn ist Kraftwerk-Fan, seit er zehn Jahre alt ist. Das Plattencover zeigt seine Vorbilder.

Sanborn ist Kraftwerk-Fan, seit er zehn Jahre alt ist. Das Plattencover zeigt seine Vorbilder.

Foto: David Sanborn

"Ich bin verrückt nach Kraftwerk, seit ich zehn Jahre alt bin", sagt Sanborn auf Anfrage unserer Redaktion. Da er in einer Kleinstadt fernab jeglicher Kultur aufgewachsen sei, sei ihm Kraftwerk "schöner und fremder als alles andere" vorgekommen. Zu Düsseldorf, der Heimatstadt seiner Lieblingsband, hat der 48-Jährige eine nicht allzu tiefgehende Beziehung. "Ich weiß, dass die Stadt einen Umlaut im Namen trägt. Und ich weiß, dass Kraftwerk dort herkommt. Also ist sie aus kultureller Sicht wohl eine sehr großartige Stadt", sagt er.

Bei einem Deutschland-Besuch am Rande eines Aufenthalts in Österreich war er kürzlich mit seiner Verlobten in München und hat immerhin die deutsche Autobahn - so auch der Titel eines Kraftwerks-Albums von 1974 - kennengelernt. "Deutsche Autofahrer fahren viel, viel besser als die Amerikaner", sagt Sanborn. Gewundert habe ihn allerdings, dass ausgerechnet im deutschsprachigen Raum kaum Tonträger von deutschen Bands wie Kraftwerk, Neu!, Harmonia, Can, oder Amon Düül zu finden seien, während sie in den USA sehr populär seien. Seine großen Helden sieht Mr. Kraftwerk am 6. September wieder. Dann spielen die Düsseldorfer in Atlanta.

(RP)
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