Jenny Jürgens Morgen 50 - und keine Angst vorm Altwerden

Düsseldorf · Mehr als bewegt war Jenny Jürgens' Leben in den vergangenen Jahren: Sie ließ sich von ihrem langjährigen Partner scheiden, sie wurde zur Deutschen, sie heiratete mittlerweile ihre große Liebe, und ihr Vater starb. Morgen wird sie 50 Jahre alt, und ihre Lebensfreude ist nach wie vor ungebrochen. Ihr Engagement für ältere Menschen und Tiere scheinen der Schauspielerin gut zu tun.

 Schauspielerin Jenny Jürgens

Schauspielerin Jenny Jürgens

Foto: Orthen

Wie sehr freuen Sie sich auf Ihren Geburtstag?

Jenny Jürgens Je älter ich werde, desto weniger Angst habe ich vor dem Alter. Das hängt damit zusammen, dass ich mich jetzt so irrsinnig angekommen fühle und von meinen Lieben angenommen. So, wie ich bin, optisch und menschlich. Alt werden zu dürfen in finanzieller Sicherheit und mit sozialen Kontakten, mit einer Familie, die dich liebt, das ist das größte Geschenk, das man bekommen kann. Dass viele besonders um Frauen Theater machen, die 50 werden, ist schon witzig. Sie werden also 50, heißt es da mit leicht bedrohlichem Unterton. Oder: Sie sehen dafür ja noch gut aus. Daran sieht man, wie negativ das Alter besetzt ist.

Wie werden Sie Ihren Geburtstag verbringen?

Jürgens Auf jeden Fall zurückgezogen mit meinem Ehemann David, wir fliegen für fünf Tage nach Sankt Petersburg, ich freue mich unglaublich. Ich habe uns zu Weihnachten schon mal vorausschauend dicke Handschuhe gekauft. Ich habe kein Problem mit dem Geburtstag, ich empfinde es als Geschenk. Es wäre lächerlich, sich darüber zu grämen. Ich wollte keine Party starten, weil ich ohnehin wenig Zeit mit David habe, da wollten wir beide was Schönes machen. Und Sankt Petersburg stand schon lange auf unserer Liste der Städte, die wir unbedingt mal besuchen wollten.

Sie haben sich kürzlich für ein Fotoprojekt 30 Jahre älter "präparieren" lassen. Wie kam das an?

Jürgens Es war absolut faszinierend. Meine Mutter schrieb mir eine Mail, dass das auch nicht viele Mütter erleben, ihre eigene Tochter plötzlich so alt sehen zu können. Ich habe mich schon gefragt, wie viel davon optisch irgendwann die Wahrheit sein wird. Ich habe keine Angst vorm Altwerden. Wir alle wollen alt werden, aber wir wollen nicht alt sein. Das ist paradox. Was wäre denn die Alternative? Früh zu sterben, hübsch, straff und jung? Ich wünsche mir ein langes Leben.

Wie erklären Sie sich das negative Image des Älterwerdens?

Jürgens Man wird mit dem Alter immer zurückgeworfen auf die Frage der Endlichkeit, des Todes. Ich glaube aber, ich musste ein bestimmtes Alter erreichen, um begreifen: Ich lebe im Jetzt. Das Zurückblicken ist oft sowieso nicht ratsam, aber auch immer dieses in die Zukunft blicken- davon habe ich viel abgelegt. Es tut gut, die Dinge mal nicht so eng zu sehen.

Sie erhielten gerade den Landesverdienstorden für Ihr Projekt Herzwerk - Armut im Alter. Wie sehr hat Sie das berührt?

Jürgens Ich freue mich total und bin natürlich auch gerührt darüber. Wir alle brauchen menschliche Nähe und Gesellschaft. Ältere Menschen haben kaum eine Lobby und sind in Krisensituationen sehr verletzlich. Sie brauchen unsere Unterstützung.

2009 gründeten Sie mit dem Deutschen Roten Kreuz Düsseldorf das Projekt Herzwerk und helfen gezielt älteren Menschen, die von Armut und Einsamkeit betroffen sind. Was trieb Sie damals an?

Jürgens Mit Anfang 40 habe ich gespürt, dass die Schauspielerei eine Leere bekam und meine eigenen Ängste zunahmen, irgendwie fand ich das egoman, ständig den Blick nach innen zu richten, auf meine eigene Befindlichkeit zu schauen, das war so anstrengend. Ich wollte etwas finden, was außerhalb meines Berufes liegt und sinnstiftend ist. Und das schwächste Glied in der Hierarchie sind die Alten. Bei Herzwerk reden wir von Menschen, die 320 Euro Grundsicherung im Monat haben. In Düsseldorf gibt es davon alleine 8000. Das ist schon brutal.

Haben Sie ein konkretes Beispiel für Ihre Arbeit?

jürgens Ich habe einen alten Mann bis zum Tod betreut. Er war sehr krank, ich habe mit ihm gekocht und gegessen. Es war sein Wunsch, dass ich bei ihm bin, wenn er gehen muss. Denn er hatte niemanden mehr. Ich habe mit ihm sogar die Patientenverfügung gemacht. Oder ich war bei einer anderen Dame zu Besuch. Sie hatte nur noch ein Brillenglas. In ihrer kargen Wohnung lag eine Scheibe Brot auf dem Tisch. Die wollte sie sich bis Montag einteilen. Tütensuppen hat sie jeden Tag mit Wasser weiter gestreckt. Es ist sehr berührend, das mitzuerleben.

Konnten Sie mit Ihrem Vater Gespräche über das Älterwerden führen?

Jürgens Ein Gespräch mit meinem Vater über das Alter und Alt-Werden habe ich stets vermieden. Es hat ihn belastet. Für ihn war die Zeit nach vorn zu kurz und die Vergangenheit zu lang. Das kann bei Mama und mir nicht passieren, wir besprechen alles. Mit ihr kann ich über das Sterben und den Tod sprechen. Meine Mutter informiert uns bis ins Detail, wo was liegt, wo wichtige Adressen sind, wo der Schlüssel versteckt ist. Das ist super. Ich weiß, wenn der Moment kommt, was zu tun ist.

Wie haben Sie den Tod Ihres Vaters verarbeitet?

Jürgens Papa wird immer einen großen Raum in mir und in meiner Seele einnehmen, das ist klar. Er war einfach mein Papa. Dass ein Mann mit 80 stirbt oder sich in die Richtung bewegt, ist ein Gesetz der Natur. Dass man Abschied nehmen muss, ist nicht einfach. Die Außenwelt spricht mich immer noch extrem darauf an. Am Anfang war das schwierig. Ich erinnere mich an Situationen wie: Ich stehe im Supermarkt, und in der linken Hand halte ich den Einkaufswagen und im rechten Arm einen weinenden Fan, und ich dachte, irgendwas stimmt hier nicht. Das war drei Wochen nach Papas Tod. Für uns Kinder war die Trauerphase in der Öffentlichkeit eine extreme Belastung. Jedes Mal, wenn die Leute mich sahen, dann sahen sie durch mich hindurch Udo Jürgens.

War das auch der Grund, warum Sie sich kurzzeitig zurückzogen?

Jürgens Ja. Mein Leben in Spanien hat mir sehr geholfen. Dort bin ich Jenny. Dort zeige ich meinen Freunden Videos bei Youtube, damit sie überhaupt wissen, wer Papa war. Ich bin sehr stolz auf ihn, aber es gibt mir große Freiheit, so unerkannt auf Mallorca leben zu können.

Interview: Brigitte Pavetic

(RP)
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