Fotografie Porträts aus der Plattenkamera

Düsseldorf · Im Berufsleben von Steffen Diemer gab es einen Moment, der ihn sehr beschäftigt hat. Damals stand der Fotograf auf dem Tahrir-Platz, um die ägyptische Revolution zu begleiten.

 Steffen Diemer porträtiert einen Kunden. Der Porträtierte muss bis zu zehn Sekunden Belichtungszeit ganz stillhalten.

Steffen Diemer porträtiert einen Kunden. Der Porträtierte muss bis zu zehn Sekunden Belichtungszeit ganz stillhalten.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Im Berufsleben von Steffen Diemer gab es einen Moment, der ihn sehr beschäftigt hat. Damals stand der Fotograf auf dem Tahrir-Platz, um die ägyptische Revolution zu begleiten.

Er stand auf einer kleinen Mauer, die einen guten Überblick bot, und sah sich um: Neben ihm waren zig andere Fotografen, die genau das Gleiche fotografierten wie er. "Irgendwie war das doch seltsam", sagt Diemer. Und er kam zum Nachdenken. Als sein bester Freund schließlich auf einer Reportage in Libyen ums Leben kam, hörte Diemer auf mit der Berichterstattung aus Krisengebieten. Und er versuchte sich an etwas Neuem, wobei das Neue eher eine Rückbesinnung ist. Ganz weit zurück.

Statt wie bisher digital wollte Diemer ein Verfahren verwenden, das aus den Anfängen der Fotografie stammt: das Kollodium Nassplatten-Verfahren. An diesem Photo-Weekend war er bei Conzen am Carlsplatz, wo Arbeiten von Diemer ausgestellt waren, wo er aber außerdem ausgesuchte Kunden porträtierte. Mehr als zehn Porträts entstanden in diesem Verfahren, das nicht nur schwierig ist und viel Erfahrung erfordert, sondern außerdem noch sehr anstrengend, da jede Platte erst in einer Dunkelkammer hergestellt und dann sofort fixiert werden muss.

Zur Herstellung einer Kollodium-Nassplatte putzt man die Glasplatten sehr sorgfältig und übergießt sie mit einer Lösung von Kollodiumwolle und Iod- und Bromsalzen in Ethanol und Ether. Der Überzug trocknet zu einer gallertartigen Masse ein und wird sofort im Dunkeln in eine Lösung von Silbernitrat gebracht. Hier wandeln sich die Salze um und bleiben in der Kollodiumschicht fein verteilt.

Die so präparierte Platte wird aus dem Silberbad herausgenommen und noch feucht von anhängender Silberlösung in einem lichtdichten Kästchen in die Kamera gebracht, belichtet und dann in der Dunkelkammer mit einer Eisensulfatlösung übergossen.

Das Negativ wird nun fixiert, schließlich gewaschen und mit Alkoholfirnis überzogen. In dem so erhaltenen Glasnegativ erscheinen die hellen Teile des Originals dunkel und die dunklen Teile des Originals hell. Diemer fixiert das Bild auf einer Platte aus Opalglas, jede Platte ist ein Unikat, so nicht mehr herstellbar und nur durch Abfotografieren zu duplizieren.

Das Interesse der Photo-Weekend-Besucher an den Aufnahmen und der Technik war sehr groß, immer wieder musste Diemer an den beiden Tagen das Verfahren erläutern und seine Kamera erklären, die ebenso aussah wie Kameras Anfang des vergangenen Jahrhunderts ausgesehen haben. Diemer hat sich gerade eine neue Kamera in Bulgarien bauen lassen - nur dort bekommt man diese Technik noch. Damit kann er Platten belichten, die 70 mal 70 Zentimeter groß sind. Ein für heutige Verhältnisse riesiges Format, schon seine kleinen Formate sind in der Form kaum zu digitalisieren, da sie mehrere Terabyte an Informationen enthalten. Außerdem machen sie sich gut im Wohnzimmer, wie einer der Besucher gestern bemerkte.

(RP)
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