Golden-Globe-Kandidat aus Düsseldorf Volker goes to Hollywood

Düsseldorf · Für den Soundtrack zum Film "Lion" ist der Düsseldorfer Volker Bertelmann für einen Golden Globe nominiert. Wir haben mit dem 50-Jährigen gesprochen.

 Volker "Hauschka" Bertelmann ist für den Golden Globe nominiert, der morgen in Beverly Hills verliehen wird.

Volker "Hauschka" Bertelmann ist für den Golden Globe nominiert, der morgen in Beverly Hills verliehen wird.

Foto: Anne Orthen

Das Café Hüftgold hat gerade erst aufgemacht. 8 Uhr morgens, noch liegt Dunkelheit über Flingern. Volker Bertelmann, Künstlername Hauschka, wirkt kein bisschen verschlafen. Der 50-Jährige ist um 6.30 Uhr aufgestanden, hat seinen dreijährigen Sohn in die Kita gebracht. Er ordert einen doppelten Espresso.

Bertelmanns persönlicher Countdown läuft. Noch vier Tage bis zur Verleihung der Golden Globes in Beverly Hills. Er ist für den Soundtrack zum Film "Lion" nominiert. "Morgen früh fliege ich nach L.A.", sagt er mit leiser Stimme. Das Laute, das Dickhosige, das Aufgeregte hat der Düsseldorfer schon immer anderen überlassen. Bertelmann ist wie immer. Ruhig und entspannt. Dabei könnte 2017 sein Jahr werden.

Gegen Ende des Jahres kam die Nachricht, dass Sie für den Golden Globe nominiert sind. War das Ihr persönlicher Höhepunkt 2016?

Hauschka Nicht unbedingt, auch wenn das jetzt vielleicht sehr nüchtern klingt. Natürlich habe ich mich über die Nominierung gefreut. Dennoch: Wichtiger als nominiert zu sein war es für mich persönlich zu merken, dass alle Bereiche, in denen ich arbeite, besser werden. Ich habe die Möglichkeit, mich verschiedenen Sachen zu widmen. Ich stehe nicht still. Das finde ich toll. Es gab ja auch Zeiten, in denen das anders war. In denen ich gedacht habe: "Wieso fliegst du eigentlich immer nach Amerika und kommst mit wenig Geld nach Hause?" Das musst du den Menschen, mit denen du lebst, ja auch erklären.

Wann haben Sie von der Nominierung erfahren?

Hauschka Das war am 12. Dezember. Ich war zu dem Zeitpunkt gerade in Los Angeles, weil wir mit dem "Lion"-Soundtrack auch für einen anderen Preis nominiert waren, den "Critics' Choice Award". Das ist eine Art Vorbote der Golden Globes und der Oscars. Die Veranstaltung war eine gute Übung, weil vieles ähnlich abläuft wie bei der Verleihung der Golden Globes. Man trägt einen Smoking, wird mit der Limousine vom Hotel abgeholt, muss auf dem roten Teppich für die Fotografen posieren und so weiter. Gewonnen haben wir den Award dann allerdings nicht, sondern "La La Land". Der tritt übrigens auch bei den Golden Globes gegen uns an.

Und wie wurde die frohe Botschaft übermittelt? Per Brief? Per Mail? Oder per Anruf?

Hauschka Die Nominierungen werden um 5.30 Uhr Ortszeit im Internet bekannt gegeben. Kurz darauf habe ich einen Anruf von meinem Publicist (Medienbetreuer, Anm. d. Red.) bekommen.

Wo genau hat Sie der Anruf erreicht?

Hauschka Ich war in Dustin O'Hallorans Haus in Los Angeles. Mit Dustin zusammen habe ich die Musik für "Lion" auch geschrieben.

Kannten sie beide sich schon vor der Zusammenarbeit?

Hauschka Ja, wir kennen uns schon seit zwölf, 13 Jahren. Das erste Mal getroffen haben wir uns bei einem Konzert von mir in Ferrara in Italien. Die Location war ungefähr so groß wie die "Brause" in Düsseldorf. Dustin arbeitete damals gerade an der Musik zu Sofia Coppolas "Marie Antoinette". Dafür wollte er gerne ein präpariertes Klavier einsetzen. Wir haben uns dann sehr lange unterhalten, ich habe ihm alles gezeigt. Im Laufe der folgenden Zeit hat sich zwischen uns eine Freundschaft entwickelt. Später sind wir dann zusammen mit dem Bus durch Europa getourt. Da war auch Jóhann Jóhannsson dabei, der mittlerweile schon zwei Mal für den Oscar nominiert war. Jetzt sind wir lustigerweise alle drei für den Golden Globe nominiert. Dustin und ich für "Lion". Und Jóhann für "Arrival".

Sie haben die Szenerie beim "Critics' Choice Award" ja schon geschildert. Bei den Golden Globes wird es kaum anders zugehen. Schüchtert Sie so was eigentlich noch ein?

Hauschka Wenn man es sich die ganze Zeit vor Augen führt, schüchtert es einen ein, natürlich. Auf der anderen Seite ist es ähnlich wie früher beim Zivildienst. Ich habe den im Krankenhaus absolviert. Da musste man sich auch an Situationen gewöhnen, die einem zunächst mal sehr fremd waren. Hier wie dort begibt man sich in eine Situation, in der man sich zunächst mal unwohl fühlt, vor der man vielleicht sogar Angst hat. Aber sobald man bestimmte Mechanismen gelernt hat und weiß, welchen Schritt man wann tun muss, bekommt das Ganze eine Normalität. Das einzig Ungewöhnliche ist, dass man viele Gesichter sieht, die man zu kennen scheint. Weil man nun selber aber auch Teil des Ganzen ist, hat man die Möglichkeit, zu jemandem hinzugehen, den man toll findet.

Sind Sie eigentlich froh, dass Sie diese Art von Ruhm erst mit 50 erreicht und nicht mit 20?

Hauschka Ja, total. Ich habe das ja schon mal gehabt, wenn auch in kleinerem Ausmaß. 1990, als ich nach Düsseldorf gezogen bin. Damals hatte ich eine Band, God's Favourite Dog. Mit der bekamen wir ziemlich schnell einen Deal bei Sony Music. Plötzlich waren wir mit Leuten wie den Fantastischen Vier auf Tour, Mädchen haben sich in den Tour-Bus geschmuggelt. Das hat mich total aus den Schuhen gehauen. Es entsteht so ein seltsames Vakuum zwischen dir und deinem Zuhause, den Leuten, die du kennst.

Wie kam es dazu, dass Sie die Musik für "Lion" geschrieben haben?

Hauschka Die Anfrage kam im Jahr 2015. Ich war gerade auf dem Weg zu einem Konzert in Melbourne, als ich einen Anruf bekam. "Da kommt ein Regisseur zu deinem Konzert heute Abend, kannst du den bitte auf die Gästeliste setzen?" Ich dachte zunächst mal an einen Filmstudenten, mein Publikum ist ja insgesamt ziemlich jung. Nach dem Konzert habe ich mich dann mit Garth Davis, dem Regisseur von "Lion", in einer Bar getroffen. Er zeigte mir auf seinem Handy einige Szenen des Films. Da wurde mir schlagartig bewusst, dass das kein Studentenfilm ist. Garth hat mir dann die Geschichte des Films erzählt, ganz ohne Namedropping. Mir war schnell klar, dass ich das machen will. Dass Dustin auch dabei war, war dann natürlich umso besser.

Und wie lange hat die Arbeit an dem Soundtrack gedauert?

Hauschka Acht Wochen. In der Zeit habe ich aber auch fast nichts anderes gemacht. Die Hälfte der Zeit habe ich in meinem Studio in Düsseldorf gearbeitet, die andere Hälfte war ich bei Dustin in Los Angeles. Zwischendurch habe ich noch ein Konzert in Sidney gespielt, das konnte ich nicht mehr absagen. Selbst im Flieger nach Australien habe ich jede Minute genutzt. Ich habe mein kleines Keyboard und mein Laptop aufgebaut und über den Wolken gearbeitet.

Dann fliegen Sie aber nicht Holzklasse, oder?

Hauschka Nein. Ich habe natürlich viele Meilen gesammelt, ungefähr 280.000 allein im vergangenen Jahr. So kann ich meine Flüge schon mal upgraden.

Alexandra Wehrmann führte das Gespräch.

(RP)
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