Düsseldorf Stadtrat lässt Straßennamen prüfen

Düsseldorf · Die Politik will klären, welche Straßen nach historisch belasteten Personen heißen. Die Entscheidung fiel einstimmig.

 Die Hans-Günter-Sohl-Straße wurde bereits in Luise-Rainer-Straße umbenannt. Bernd Desinger, Uwe Wagner, Klaudia Zepuntke und Klaus Franken (v.l) enthüllten im März das neue Schild.

Die Hans-Günter-Sohl-Straße wurde bereits in Luise-Rainer-Straße umbenannt. Bernd Desinger, Uwe Wagner, Klaudia Zepuntke und Klaus Franken (v.l) enthüllten im März das neue Schild.

Foto: Andreas Endermann

Um die Hans-Günther-Sohl-Straße gab es heftigen Streit - nun will der Stadtrat für Klarheit sorgen, welche weiteren Straßen nach historisch belasteten Personen benannt sind. Im Fokus steht neben der NS-Zeit vor allem die Kolonialgeschichte. Der Kulturausschuss gab jetzt die Überprüfung des gesamten Stadtgebiets in Auftrag. Die Initiative war von der Linkspartei gekommen, der Beschluss fiel einstimmig.

Die Mahn- und Gedenkstätte sowie das Stadtarchiv sollen ein Konzept entwickeln. Sie müssen Kriterien finden, welche der rund 3000 Straßen genauer ins Auge gefasst werden sollen, und eine erste Bewertung vornehmen - eine umfangreiche Aufgabe für die Historiker. "Wir nehmen die Herausforderung an", sagt Bastian Fleermann von der Mahn- und Gedenkstätte. Das Thema sei geschichtspolitisch sehr interessant. Die Linkspartei hätte sich sogar gewünscht, dass der Rat ein noch umfangreicheres Projekt nach dem Vorbild Freiburgs anstößt.

Unter Federführung des Kulturamts war dort vier Jahre lang an der Bewertung der Straßennamen gearbeitet worden, zwölf Straßen wurden schließlich umbenannt. Clara Gerlach (Grüne) sprach von einem "sehr aufwendigen Verfahren". Die nun vereinbarte Lösung sieht vor, dass die beiden städtischen Institute die Arbeit erledigen, einen Auftrag an externe Experten soll es nicht geben. Die CDU beantragte eine Sitzungsunterbrechung und willigte schließlich ein, sie hatte die Mitarbeit des Stadtarchivs vorgeschlagen, dessen Mitarbeiter über wissenschaftliche Kompetenz für die Kolonialzeit verfügen.

Straßen mit einem sehr klaren Bezug zur NS-Ideologie sind in Düsseldorf längst umbenannt worden. Bereits in den Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die Briten damit begonnen. So hatte etwa die heutige Oststraße bis 1945 "Straße der SA" geheißen. Auch nach Paul Hindenburg, dessen Ehrung in anderen Städten jüngst für Debatten gesorgt hat, heißt in Düsseldorf schon seit 1949 keine Straße mehr. Allerdings gibt es auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende immer noch Debatten, auch angesichts neuer Forschungserkenntnisse: Erst 1991 war die Straße in Flingern nach dem Thyssen-Chef Sohl benannt worden.

Er war eine prägende Figur der Düsseldorfer Wirtschaft gewesen und wurde auch mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Allerdings sprach sich die zuständige Bezirksvertretung 2 im vergangenen Jahr - ebenfalls nach einer Initiative der Linken - für eine Umbenennung aus, der Stadtrat folgte der Entscheidung. Der Grund war Sohls Wirken in der NS-Zeit. Dazu kam, dass ausgerechnet an der nach ihm benannten Straße das KZ-Außenlager "Berta 1" gelegen hat.

Eine kommende Kontroverse ist abzusehen: Das Internetprojekt "Freedom Roads" listet acht Straßen in Düsseldorf auf, die nach prägenden Akteuren der Kolonialzeit benannt sind. Sie liegen in einem Wohngebiet an der Grenze von Urdenbach zu Garath. Dazu gehören Benennungen nach Franz Adolf Eduard Lüderitz, dem ersten deutschen Landbesitzer im heutigen Namibia, und dem Kolonialisten Carl Peters. In vielen Städten gibt es derzeit wegen dieser Personen Debatten, die Namen der einstigen "Kolonialhelden" sind heute mit grausamen Verbrechen verknüpft. Der Stadtrat entscheidet über mögliche Umbenennungen.

Am Ende einer Debatte muss aber keine Umbenennung stehen: In Bilk hat man sich kürzlich darauf geeinigt, die nach dem Offizier und Afrikaforscher Hermann von Wissmann benannte Wissmannstraße zu belassen. Schüler hatten die Umbenennung gefordert, Anwohner beklagten aber unter anderem den Aufwand, schließlich müssen etwa Dokumente angepasst werden. Man einigte sich darauf, eine Stele aufzustellen, die an Wissmanns Taten erinnern. Er ließ in der damaligen deutschen Kolonie Ostafrika Hunderte Menschen ermorden.

(arl)
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