Altstadt Die Keimzelle der Stadt ist ein Friedhof

Altstadt · Die auf dem Stiftsplatz gefundenen Gebeine verwundern nicht. Hunderte Jahre lang bestatteten die Düsseldorfer dort ihre Toten.

Altstadt: Die Keimzelle der Stadt ist ein Friedhof
Foto: Stadtarchiv

Es ist immer schwer, sich in andere Zeiten hineinzuversetzen, und dennoch geben die nun bei Bauarbeiten gefundenen Gebeine auf dem Stiftsplatz einen Einblick in das Leben der Menschen im Düsseldorf des 17. Jahrhunderts. Und das war bei weitem nicht so komfortabel wie heute. Viele der Gebeine, die von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) gesichert wurden, stammen von jungen Menschen, viele waren noch Kinder, als sie starben. Und die litten unter Mangelerscheinungen. Rachitis war weit verbreitet. Außerdem litten schon junge Menschen unter Zahn- und Kiefererkrankungen. Entzündete sich der Kiefer oder ein Zahn, war das nicht nur mit großen Schmerzen verbunden, sondern konnte tödlich enden, wie die Funde unter dem Stiftsplatz zeigten. Krankheiten und der Tod gehörten zum Alltag in Düsseldorf, 1613 gab es eine Pestepidemie und auch zwischen 1627 bis 1629 wütete der Schwarze Tod in den Gassen und auf den Plätzen der kleinen Stadt. Mehr als 2000 Tote zählte man damals in der Stadt, die nach unserem heutigen Verständnis eher einem Dorf ähnelte: Die Bevölkerung betrug 1617 gerade einmal 4500 Menschen.

Hinzu kam ein großes Unglück im Jahr 1634: Damals explodierte ein Lager mit 300 Fass Schießpulver, etwa 50 Häuser wurden komplett zerstört, schreiben die Chronisten der Zeit. Auch die Lambertuskirche wurde davon in Mitleidenschaft gezogen und brannte komplett aus. Die Toten fanden ihre letzte Ruhe auf dem Stiftsplatz.

Als Grabungsort verlangte der den Archäologen eine Menge ab. Durch alte Straßenbeläge und Versorgungsleitungen, durch Baumsetzungen und Kriegsschäden waren viele Gräber zerstört. "Dennoch konnten auch einige fast ungestörte barocke Bestattungen freigelegt und dokumentiert werden", sagt Peter Schulenberg, einer der freiwilligen Helfer. Er fand Rosenkranzperlen und Fragmente von Totenkronen, typische Beigaben für die Zeit um 1750. Schon damals war der Platz ein stiller Ort.

Und vor allem ein geschlossenes Wohnquartier für Angehörige des geistlichen Standes. Der Historiker Ulrich Brzosa erklärt damit auch den heute noch verwunschenen Charakter und die eigentümliche Stimmung. Denn während in der Altstadt Trubel herrscht, ist der Stiftsplatz bis heute ein Ort, an dem man nur wenige Menschen trifft, ein Ort der Ruhe. "Als das Dorf am Unterlauf der Düssel 1288 nach der Schlacht von Worringen zur Stadt erhoben wurde, hatte Graf Adolf von Berg noch im gleichen Jahr die päpstliche Erlaubnis eingeholt, die Pfarrkirche St. Lambertus mit einem Kanonikerstift zu verbinden. In nur wenigen Jahrzehnten entstanden um die Stiftskirche Kanonikerhäuser, die im Jahre 1396 in einer Immunität zusammengefasst wurden. Die Bewohner waren von Steuern und Diensten wie Wehrpflicht, Einquartierung und Straßenreinigung befreit und unterstanden nicht dem Bürgermeister, sondern dem Dechanten als Vorsteher des Stiftes. Dennoch war der Platz auch für die weltlichen Bewohner frei begehbar. Schließlich mussten die Düsseldorfer Bürger ja auch zu den Gräbern ihrer Angehörigen, denn der Stiftsplatz war Friedhof bis zum Jahr 1815, als die Stadt größer wurde und nicht zuletzt aus hygienischen Gründen, den Friedhof außerhalb der Wohngebiete verlegte. Die Toten wurden nicht umgebettet. Über ihre Gräber erbauten die Düsseldorfer den neuen Platz.

(RP)
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