Benrath Märchenhafte Büchernacht

Benrath · Vier Autoren lasen aus sehr unterschiedlichen Werken vor, die man als moderne Märchen deuten kann.

 Eri Krippner, Christel Mewes, Karin Füllner, Helge Goldschläger, Tatjana Kuschtewskaja und Klaus Stickelbroeck (v. l.) bei der Lesenacht.

Eri Krippner, Christel Mewes, Karin Füllner, Helge Goldschläger, Tatjana Kuschtewskaja und Klaus Stickelbroeck (v. l.) bei der Lesenacht.

Foto: Ralph Matzerath

Wer Geschichten über Elfen, Zwerge und Prinzen erwartet hatte, wurde bei der 19. Benrather Büchernacht am Samstagabend, die unter dem Motto "Märchenhafte Zeiten?" in der Orangerie des Benrather Schlosses gestanden hatte, enttäuscht. Stattdessen lasen vier Autoren aus sehr unterschiedlichen Werken vor, die Märchen in die heutige Zeit versetzen. Den Anfang der vom Kulturkreis und der Stadtbücherei veranstalteten Nacht machte Krimi-Autor Klaus Stickelbroeck. Karin Füllner, Mitglied des Benrather Kulturkreises und Moderatorin des Abends, stellte gleich zu Beginn die Frage: "Märchenhafte Zeiten - was kann uns da besser einstimmen als ein Krimi?"

Stickelbroeck liest ohne Zweifel humorvoll vor, mit viel Einsatz von Gestik und Mimik, doch inhaltlich lässt sich der Märchenzusammenhang nicht direkt erkennen. Die Kurzgeschichte "ästhetische Herren und zarte Gefühle" über eine 73-Jährige, die fünf Gäste zu einem gemütlichen Teeabend einlädt und dabei deren Zankereien über sich ergehen lässt, hat auf den ersten Blick keine Ähnlichkeit mit Erzählungen der Gebrüder Grimm. Dabei war gerade Stickelbroeck und seine Geschichte für Füllner der Anstoß, die Büchernacht unter dieses Motto zu stellen. "Krimis sind die Märchen von heute. Der böse Wolf wurde nur durch andere Schurken ersetzt. Außerdem sind die Werke oft ausgedacht und meistens gewinnt das Gute am Ende", erklärt der Autor.

Bei gedimmten Licht und mit ruhigerer Art liest Eri Krippner ihre Kurzgeschichte "Die Echsenfrau" vor. In der Erzählung aus Krippners Kurzgeschichten- und Gedichtband "Vergangene Sommer" geht es um die Tagträumerei eines leicht beschwipsten Urlaubers, der ein junges Paar beobachtet. Die Frau ist auch bei großer Hitze verschleiert und der Beobachter spinnt darum eine Fantasie. Der Poetry-Slamer Helge Goldschläger bringt mit seinen Beiträgen eine gesellschaftskritische Note in den Abend. Auch in seiner modernen Lyrik haben Fabelwesen nichts zu suchen. "Ich schreibe lieber über normale Leute und keine Prinzen, denen Außergewöhnliches passiert", sagt er. So trägt er unter anderem die Geschichte von einem Mann vor, der behauptet, über Nacht den Sinn des Lebens entdeckt zu haben. Am nächsten Morgen stehen Hunderte vor seiner Tür, um diesen zu erfahren, der Mann gerät in Erklärungsnot.

Den Abschluss macht Tatjana Kuschtewskaja. Die gebürtige Russin schreibt in ihrem Buch "Am Anfang war die Frau" über die Frauen russischer Genies, anstatt deren bekannten Männer in den Vordergrund zu stellen. Mit solchen Exzentrikern zu leben sei nicht immer märchenhaft, meint Kuschtewskaja. Aber durch ihre Liebe hätten sie vieles gemeinsam überwunden. Die Autorin findet: "Die besten Märchen schreibt doch das Leben."

(RP)
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