Flingern Als Flingern noch Arbeiterviertel war

Flingern · Das neue Buch von Thomas Bernhardt zeigt die Geschichte des Szene-Stadtteils als privates Fotoalbum.

 Bauarbeiten am Flinger Broich waren in den 50er Jahren noch Männersache.

Bauarbeiten am Flinger Broich waren in den 50er Jahren noch Männersache.

Foto: privat/ Thomas Bernhardt

Kaum ein Düsseldorfer Stadtteil hat sich so verändert wie Flingern. Wer heute durch die Straßen geht, erkennt nur noch wenig Ursprüngliches. Manche finden das schade, und Thomas Bernhardt ist einer von ihnen. Deshalb hat der Künstler und Stadthistoriker alte Bilder aus dem Stadtteil gesammelt. Innerhalb kürzester Zeit hatte er genug Fotografien zusammen, um ein Buch zu füllen. "Es sollte keine Info-Broschüre und auch kein trockener Stadtführer werden. Ich wollte Familiengeschichten hören, kleine Anekdoten sammeln, die im Schatten der großen Stadtgeschichte sonst untergehen und lebendige Eindrücke gewinnen", sagt Bernhardt. Er traf alle Bildgeber persönlich und unterhielt sich mit ihnen über das Leben in Flingern. Wilfried Goetz etwa hat dem Buch "Düsseldorf-Flingern in historischen Fotografien" ein Bild beigesteuert, auf dem er selbst zu sehen ist. Fünf lachende Schulkameraden, die nebeneinander auf dem dreckigen Bürgersteig sitzen und ihr Mittagessen aus den selbst gebastelten Henkelmännern genießen. Die Ledertaschen, die sie stolz auf dem Schoß halten, waren damals so belieb wie heute Scout oder 4YOU.

 Das Allwetterbad war 1957 der Mittelpunkt des Stadtteils, hier wurden auch Feste gefeiert.

Das Allwetterbad war 1957 der Mittelpunkt des Stadtteils, hier wurden auch Feste gefeiert.

Foto: Thomas Bernhardt

Auch der Autor hat ein eigenes Bild in sein Buch aufgenommen. Mit zwei Freunden zog er damals als Winnetou verkleidet um die Blocks bis in den Grafenberger Wald. Seine Mutter, die die Kostüme selbst nähte, wohnt noch heute in dem weißen Haus auf der Porschestraße, das hinter den drei Jungen zu sehen ist. Das Leben habe sich im Stadtteil vor allem draußen abgespielt, erinnert sich Bernhardt. Ein zentraler Treffpunkt war das Allwetterbad.

 Die "Flurschänke"lag gegenüber vom Hoffelder Hof, dem "Wohnzimmer Flingerns".

Die "Flurschänke"lag gegenüber vom Hoffelder Hof, dem "Wohnzimmer Flingerns".

Foto: Thomas Bernhardt

In den warmen Monaten verbrachten die Kinder jede freie Minute im Freibad, am Wochenende kamen die Eltern mit, und es wurde gepicknickt. "Es war einer der Mittelpunkte des Stadtteils, vor allem auch deshalb, weil die Eintrittspreise für alle erschwinglich waren", sagt der Autor. Die Erwachsenen trafen sich abends in einer der vielen Traditionskneipen Flingerns, wie beispielsweise der Flurschänke, die gegenüber der Flurklinik und des Hoffelder Hofs lag. "Der Bildgeber erzählte mir, dass viele werdende Väter ihre Frauen in der Flurklinik abgaben und dann in die Flurschänke kamen, um sich die Zeit bis zur Geburt zu vertreiben", sagt Bernhardt. Obwohl sich der Stadtteil stark verändert hat, gibt es auch heute noch viele markante Gebäude und Plätze, die die Zeit überdauert haben. So zum Beispiel das ehemalige Industriegebiet an der Ecke Kettwiger Straße, Ecke Höher Weg. Die Maschinenhallen dienen heute der Stadtverwaltung als Sitz. Auf einem Bild aus dem Jahr 1957 sieht man die Zerstörung, die eine Explosion von Gasflaschen auf dem Gelände verursachte.

 Die Gaußstraße glich in der Nachkriegszeit noch einem Bauernhof.

Die Gaußstraße glich in der Nachkriegszeit noch einem Bauernhof.

Foto: Thomas Bernhardt

Als Thomas Bernhardt in Flingern aufwuchs, war es noch ein rustikales Arbeiterviertel. Trotzdem wird der Künstler auch noch heute von seinem Flair angezogen und kommt regelmäßig zurück in sein altes Quartier.

Info "Düsseldorf-Flingern in historischen Fotografien" , Sutton Verlag GmbH, 128 Seiten, 19, 99 Euro im Buchhandel

(RP)
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