Flingern Stadt klagt Schausteller von Grundstück

Flingern · Seit 35 Jahren lebt die Familie am Dornröschenweg. Das Fehlen der Baugenehmigung für eine Halle wurde ihr zum Verhängnis. Die Stadt schickte die Räumungsklage. Und gewann auch den Gerichtsprozess.

 Werner Tscheike-Mahler (l.) und Vanessa Mahler mit Sohn Alexander und Hund Paule vor der Halle des Anstoßes.

Werner Tscheike-Mahler (l.) und Vanessa Mahler mit Sohn Alexander und Hund Paule vor der Halle des Anstoßes.

Foto: Marc Ingel

Seit 35 Jahren leben Werner Tscheike-Mahler und Vanessa Mahler mit Sohn, Schwager, einem Angestellten und vier Hunden auf einem 1645 Quadratmeter großen Grundstück in der Märchensiedlung. Das klingt ziemlich groß, aber diesen Platz am Dornröschenweg benötigt die Schausteller-Familie (in vierter Generation) auch für ihre insgesamt zehn Wagen, in denen sie wohnen, die sie aber ebenso für die Arbeit auf der Kirmes (Imbiss, Schießen) benötigen. Gemäß eines alten Pachtvertrages zahlten sie dafür lange lediglich rund 150 Euro im Quartal. Das war der Stadt auf Dauer dann doch ein bisschen wenig, vor drei Jahren kamen Vertreter des Liegenschaftsamtes und wollten die Konditionen neu verhandeln. "Wir haben uns dann auf 845 Euro pro Monat geeinigt, mehr war für uns wirtschaftlich nicht darstellbar", erzählt Vanessa Mahler.

Dabei fiel den Beamten jedoch jene Halle auf, für die es, wie sich schnell herausstellen sollte, nie eine Baugenehmigung gegeben hat. "Das war zu Beginn nur ein Gerüst im Schlamm mit einer Plane drüber. Mein Mann hat alles ausgebaut, den Boden asphaltiert, damit er eine anständige Werkstatt und Lagerfläche hatte. Dafür hat sich Jahrzehnte lang keiner interessiert", sagt Mahler. Aber sie zeigte Einsicht, beauftragte einen Architekten, ließ alles vermessen, die nachträgliche Baugenehmigung war unterschriftsreif fertig - doch abgeschickt wurde sie nie.

"Mein Mann hat Ende 2013 einen Schlaganfall bekommen. Ich musste das Geschäft plötzlich mehr oder weniger alleine führen, mich um Haushalt und meinen pflegebedürftigen Mann kümmern, mir ist alles über den Kopf gewachsen. Ich habe das mit dem Bauantrag damals einfach verpennt", räumt die 47-Jährige ein. Dennoch: Die Stadt schickte eine Räumungsklage.

Man sah sich vor dem Landgericht wieder. Mitte Juli entschied der Richter zugunsten der Stadt. "Er hat noch versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen. Aber die Stadt hat sich auf nichts eingelassen", erzählt Vanessa Mahler. "Rechtlich mag das nicht zu beanstanden sein, aber menschlich? 35 Jahre haben wir uns nichts zuschulden kommen lassen, Steuern, Strom, Gebühren für Müll, Straßenreinigung, Abwasser bezahlt. Wo sollen wir denn unter den gegebenen Umständen hin? Wir sind mitten in der Schützenfestsaison, es gibt keine Alternative, kein Ausweichgrundstück", so die Schaustellerin. Sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Stadt einlenkt und die Familie zumindest geduldet wird, bis klar ist, was mit dem Grundstück passieren soll. "Wahrscheinlich Einfamilienhäuser", spekuliert sie. In der Tat hat die Stadt bereits offen kommuniziert, dass sie im Rahmen der Erneuerung der Wohngegend rund um den Hellweg langfristig auch daran denkt, den Schützenplatz in Flingern und das Märchenland als städtebauliche Ergänzungsflächen neu zu konzipieren. Ein Zeitpunkt dafür sei aufgrund der Eigentumsverhältnisse vor Ort aber nicht absehbar. Und auch Vanessa Mahler glaubt: "Das ist doch sonst alles Privateigentum, und hier will bestimmt keiner so schnell verkaufen."

Von der Stadt ist zu dem konkreten Fall kein Kommentar zu bekommen. Das Landgericht Düsseldorf habe dem Klageantrag der Stadt vollumfänglich stattgegeben. Gegen dieses Urteil könnten jedoch Rechtsmittel eingelegt werden. Daher werde die Stadt zu einem noch laufenden gerichtlichen Verfahren keine Erklärungen abgeben, heißt es. In Berufung gehen will die Schaustellerfamilie aber wohl nicht. "Das übersteigt unsere finanziellen Möglichkeiten", sagt Vanessa Mahler. Sie setzt noch die Hoffnung darin, dass der Deutsche Schaustellerbund womöglich vermitteln kann. Aufgeben will sie nicht, "aber wir sind hier nun mal das schwächste Glied in der Kette".

(RP)
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