Flingern/Oberbilk Zehn Jahre Stadtteilmütter

Flingern/Oberbilk · In Flingern und Teilen Oberbilks kümmern sich Frauen mit Migrationshintergrund um Neu-Zugezogene.

 Sabine Roß hält engen Kontakt zu ihren Stadtteilmüttern und Patinnen wie Ramziyah Al Salihi und Layla Azahaf.

Sabine Roß hält engen Kontakt zu ihren Stadtteilmüttern und Patinnen wie Ramziyah Al Salihi und Layla Azahaf.

Foto: hans-Jürgen bauer

Vor zehn Jahren ist Ramziyah Al Salihi aus dem Irak nach Düsseldorf gekommen. Deutsch konnte sie damals kaum, Freunde hatte sie keine. "Mein Mann hat hier gearbeitet", erzählt die heute 40-Jährige. Sie suchte Anschluss, wollte Menschen kennenlernen, die Sprache üben. Schnell hatte sie Kontakt zu Sabine Roß von der Diakonie in Flingern, fühlte sich bald zu Hause im Stadtteil. Vor drei Jahren wurde Al Salihi dann selbst zur Helferin, zur Patin, zur Stadtteilmutter und betreut seitdem Menschen, die aus dem Ausland kommen, Hilfe bei Formularen brauchen, Unterstützung bei Ärzten und Ämtern. Sie spricht Arabisch und Kurdisch. Mit der Flüchtlingskrise ist Al Salihi unverzichtbar geworden. Viel Zeit investiert die 40-Jährige ins Ehrenamt, für das sie eine kleine Aufwandsentschädigung bekommt. "Aber ich habe die Zeit", sagt sie. Ihre beiden Jungs - sechs und neun Jahre alt - sind bis zum Nachmittag in der Schule.

So lange Ramziyah Al Salihi in Deutschland lebt, so lange gibt es auch die Stadtteilmütter. 2008 ist das Projekt entstanden, im Rahmen der sozialen Stadt. Das Evangelische Familienbildungswerk in Oberbilk und die Diakonie in Flingern arbeiteten damals zusammen, auf zwei Jahre war das Angebot begrenzt. Die Idee der Stadtteilmütter ist so simpel wie effektiv, findet Sabine Roß: "Gut integrierte Frauen mit Migrationshintergrund unterstützen Frauen oder ganze Familien, die neu zugezogen sind oder sich nicht zurechtfinden im Viertel", sagt die Sozialpädagogin. 14 Frauen wurden damals zur Stadtteilmutter ausgebildet, immer mal wieder gab es neue Mitglieder im Team und solche, die aufgehört haben. Als die finanzielle Unterstützung nach zwei Jahren endete, wollte die Diakonie das Projekt nicht aufgeben, "die Stiftung der Diakonie übernimmt die Kosten nun", erzählt Roß.

Auch wenn das nicht immer einfach ist, Frauen sogar eine Zeit auf ihre Aufwandsentschädigung verzichteten, damit das Paten-System weiter bestehen bleibt - Roß glaubt daran. Immer wieder bekommt sie Lob und Anerkennung für das Projekt, "es wäre schön, wenn auch andere Stadtteile Stadtteilmütter und Patinnen hätte", sagt Roß. "Aber es scheitert am Geld." Neben der Hilfe beim Papierkram liegt inzwischen auch ein Schwerpunkt auf Familien, auf Frauen, die ein Kind erwarten oder gerade eines bekommen haben, die Themen Gesundheit und Erziehung spielen eine große Rolle. Die Baby-Lotsinnen kümmern sich um die jungen Mütter, Helferinnen findet Sabine Roß oft im Mutter-Kind-Café.

Aus Nigeria, Ghana und Eritrea kommen die Frauen, die Roß gewinnen konnte, und natürlich aus dem arabischen Raum. Mit der Flüchtlingskrise ab 2015 kamen die Patinnen kaum noch hinterher, so viele Familien suchten den Kontakt. "Sieben Frauen haben wir dann nachgeschult", sagt Roß, die den Neu-Düsseldorfern vor allem eines vermitteln wollte: "Dass sie nicht nur eine Nummer sind." Weit über 100 Familien haben die Stadtteilmütter, Patinnen und Baby-Lotsinnen in den letzten zehn Jahren begleitet, manche brauchen nur einen kleinen Anstupser, andere intensivere Betreuung - "es ist schon ein Unterschied, ob Arbeitsmigranten ihre Familie nachholen oder Menschen aus einem Kriegsgebiet geflüchtet sind", sagt Roß. Um zwei bis drei Familien kümmert sich Ramziyah Al Salihi parallel, sie hilft gerne. Lieber noch würde sie aber feste Arbeit haben. "Viele Frauen kommen durch das Projekt weiter", sagt Roß mit gemischten Gefühlen. Weil sie sich für die Helferinnen freut, aber auch sehr kompetente Frauen verliert.

(RP)
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