Friedrichstadt/Derendorf Das zweite Leben der Garage Bilk

Friedrichstadt/Derendorf · Ende Oktober muss die Garage Bilk, einer der ersten Coworking Spaces in Deutschland, den alten Standort verlassen. Doch das Projekt geht weiter.

 Markus Lezaun und Silke Roggermann in den zukünftigen Räumen des Coworking Space super(7000).

Markus Lezaun und Silke Roggermann in den zukünftigen Räumen des Coworking Space super(7000).

Foto: Andreas Bretz

An einem Donnerstagmorgen im Frühherbst scheint die Welt der Garage Bilk noch in Ordnung. Vor der Tür parken Fahrräder. Drinnen hocken junge Männer an ihren Laptops. In einem der Konferenzräume wird getagt. Und auf dem Flur führt eine Frau ein Telefonat in fließendem Englisch. Vor fünf Jahren wurde die Garage Bilk in einem Hinterhof an der Bilker Allee gegründet - als einer der ersten Coworking Spaces in Deutschland. Markus Lezaun war von Anfang an dabei. Er hat erlebt, wie das Projekt in den vergangenen Jahren Stück für Stück gewachsen ist. Heute belegt die Garage Bilk mit ihren auch für kurze Zeit mietbaren Arbeitsplätzen, Konferenzräumen, Start-up-Büros und Werkstätten 900 Quadratmeter auf dem Gelände. Eine Erfolgsstory, die in wenigen Wochen zu Ende geht, jedenfalls am angestammten Ort. Der ehemalige Garagenhof mit Tankstelle wurde im März 2015 verkauft. "Wird alles abgerissen", sagt Lezaun. "Hier wird in Zukunft hochpreisiger Wohnraum entstehen."

Lezaun hegt keinen Groll. Groll ist ohnehin seine Sache nicht. Er ist einer, der das Leben als eine Art Abenteuerspielplatz versteht. Das war schon vor 23 Jahren so. Damals organisierte der gebürtige Pfälzer die "Butterfahrt nach Moskau". Für 300 Mark konnte man unter Lezauns Leitung mit Zug und Bus aus mehreren deutschen Städten nach Moskau fahren. Genächtigt wurde bei Gast-Familien im Plattenbau. Die Reise dauerte eine Woche. Netto-Aufenthalt in Moskau: knapp zwei Tage. Die dabei waren, erinnern sich an ein völkerverbindendes Tipp-Kick-Turnier auf dem Roten Platz, das von russischen Uniformierten unterbunden wurde, den Auftritt der mitgereisten Düsseldorfer Band B Bang Cider im Sexton Club und raue Mengen selbst gebrannten Alkohols.

Heute ist Lezaun Vater zweier Söhne und Inhaber der Digital-Agentur Blanko, die ihren Sitz ebenfalls auf dem Gelände der Garage Bilk hat. Konzentriert führt er durch die verwinkelten Räumlichkeiten der Garage Bilk, zeigt Konferenzräume und Arbeitsplätze, das Repair Café mit 3-D-Druckern. Hinter jeder Tür, so scheint es, öffnet sich eine neue Welt. Hier wird ein Computerspiel entwickelt. Da entsteht ein Booking-Portal. Und dort arbeitet ein Kölner Autor an seinem nächsten Krimi. Wer durch die Räume geht, versteht, warum das Konzept Coworking Space einen Boom erlebt. Es ist ein Austausch von Energie. Wo viele andere Leute Ideen haben und etwas entstehen lassen, arbeitet man anders als daheim, im luftleeren Raum. Entsprechend ist die Auslastung der Garage Bilk, erzählt Lezaun. "Leerstand gibt es hier so gut wie gar nicht."

Das dürfte am neuen Standort, an dem es ab November weitergehen soll, kaum anders sein. Während es einen Teil des Friedrichstädter Teams nach Lierenfeld verschlägt, macht Lezaun in Derendorf weiter. Auf der Rather Straße 25, in unmittelbarer Nähe des neuen FH-Campus, entsteht super(7000). Untertitel: die Mutter aller Coworking Spaces. Die Geschäftsführung übernimmt Lezaun gemeinsam mit Silke Roggermann. Auch die gebürtige Oberbilkerin, die früher Marketing Managerin bei der Messe Düsseldorf war, betreibt seit 2014 einen Coworking Space: das Gewächshaus an der Mindener Straße. Am neuen Standort in Derendorf stehen dem super(7000) allein im Vorderhaus sieben Etagen à 500 Quadratmeter zur Verfügung. Wie schon in der Garage Bilk soll die Fläche peu à peu erschlossen werden. In Etage 2 wird bereits renoviert. Der graue Teppich wartet auf Abtransport. Auf dem Boden zeugen noch Spuren von den Zwischenwänden, die in den vergangenen Tagen entfernt wurden. Nun ist das ganze Geschoss ein einziger Raum. Finanziert wird der Umbau von einer Investorengruppe um den Architekten Karl-Heinz Petzinka. Der 60-Jährige, der unter anderem das Düsseldorfer Stadttor entwarf, verantwortet auch den Umbau an der Rather Straße. "Er möchte das Areal so verändern, dass Innovation entstehen kann", sagt Roggermann. Sie und Lezaun haben kaum Vorgaben gemacht, wie die Büros in Zukunft aussehen sollen. Die Wände werden wohl gesandstrahlt werden. Als Bodenbelag soll Estrich dienen. "Maximal gestrichen", sagt Lezaun. Und ergänzt: "Wenn das Geld für die Farbe reicht." Petzinka beschreibt die zukünftige Optik als "gnadenlos".

Das Adjektiv passt gut zu dem, was sich im Hinterhof entwickelt hat. In dem Gebäudekomplex, der sich von der Rather Straße bis zu den Bahngleisen erstreckt, haben sich neben Bands und Künstlern auch zwei Clubs angesiedelt: das Exit und das Nirvana. Roggermanns und Lezauns Plan: Das, was vorne passiert, soll mit der Subkultur im Hinterhof in Verbindung gebracht werden. Dem dürfte auch die Veranstaltungshalle im Hof zuträglich sein. Auf insgesamt 7000 Quadratmetern an der Rather Straße ist in Zukunft vieles denk- und realisierbar. Ein FoodLab, eine Experimentierküche, die von jedermann gemietet werden kann, aber auch Ateliers, Galerien oder eine Kita. Eine Gastronomie ist ebenfalls angedacht. Los geht es Anfang November erst mal mit Etage 2.

(RP)
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