Gerresheim Mitten im Leben

Gerresheim · Das Bestattungsunternehmen Dischleid hat eine 110 Jahre lange Tradition. Der Großvater war Schreiner und fertigte Särge an. Heute verstehen sich die Inhaber als Dienstleister - wie sich die Zeiten in der Branche verändert haben.

 Petra Klein- Dischleid mit Sohn Henning (l.) und Mann Volker sowie Geschäftsführer Frank Plätschke vor dem Beerdigungsinstitut. Auch Plätschkes Sohn Dominik arbeitet als Bestattungsfachkraft im Unternehmen mit.

Petra Klein- Dischleid mit Sohn Henning (l.) und Mann Volker sowie Geschäftsführer Frank Plätschke vor dem Beerdigungsinstitut. Auch Plätschkes Sohn Dominik arbeitet als Bestattungsfachkraft im Unternehmen mit.

Foto: Marc Ingel

Wer auf das farbenfrohe Haus an der Quadenhofstraße zugeht, glaubt nicht, dass es sich um ein Bestattungsinstitut handelt: roter Backstein, roter Anstrich, viel Grün. "Das ist die Absicht, unsere Kunden befinden sich in Ausnahmesituationen, da muss nicht unbedingt ein Sarg das Erste sein, was sie sehen", erklärt Petra Klein-Dischleid. Das Unternehmen aus Gerresheim hat sich gerade nicht unerheblich vergrößert und die Konkurrenz Friedhelm Pipping übernommen. Wobei dieser Begriff nur bedingt zutreffe, wie Dischleid klarstellt. "Die Familien waren eng verbunden, die früheren Inhaber Friedhelm Pipping und Heinz Dischleid, mein Schwiegervater, beste Kumpel", berichtet die Chefin. "Die bisherige Inhaberin, Ursula Picker, ist nach 47 Jahren in den Ruhestand gegangen und wollte ihre Firma in vertraute Hände geben", fügt sie hinzu.

Die Branche ist eine eingeschworene, die Mitbewerber sind überschaubar, man teilt sich das Einzugsgebiet auf und hilft sich sogar schon mal gegenseitig bei Überführungsfahrzeugen aus. Man lebe vor allem von Stammkunden, sagt Geschäftsführer Frank Plätschke und meint damit natürlich ganze Familien oder zumindest Bekanntenkreise, die sich über Generationen hinweg auf Empfehlung an einen Anbieter binden. Längst sei das Beerdigungsinstitut ein Dienstleister, der sich um alle Formalitäten kümmert bis hin zu Trauerfeier und Trauercafé im eigenen Haus, betont Plätschke. "Wir verstehen uns nicht zuletzt als Begegnungsstätte mitten im Leben", unterstreicht Klein-Dischleid.

Daran dachte Otto Dischleid 1907 sicher noch nicht, als der Schreiner sich auf die Herstellung von Särgen spezialisiert hatte. "Später kam die Großmutter hinzu und kümmerte sich um administrative Aufgaben", weiß Volker Dischleid, der sich inzwischen weitgehend aus dem Geschäft zurückgezogen hat. In der Nähe der Gerresheimer Glashütte an der Heyestraße gelegen, gab es immer genug zu tun für Otto Dischleid, die Lebenserwartung der hart arbeitenden Glasbläser war nicht sonderlich hoch. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei dann der Vater, Heinz Dischleid, in den Betrieb eingestiegen, "1954 wurde die Schreinerei aufgegeben. Beides zusammen ging einfach nicht mehr. Schon damals wurde der Beruf zunehmend komplexer", erklärt Volker Dischleid.

Das beinhaltet auch die Aufbahrung. Die sei in diesen Tagen wieder sehr gefragt, berichtet Petra Klein-Dischleid. "Die Menschen sind sich dessen selbst nicht so bewusst, wie sehr sie es brauchen, von einem Verstorbenen wirklich Abschied zu nehmen." Früher, so Plätschke, sei das noch Sache der Familie und der Nachbarschaft gewesen - inklusive Totenwache bis zum Tag der Beerdigung. "Heute lebt die Familie weit verstreut, muss in der Regel der Bestatter einspringen", sagt er.

Da überrascht es nicht, dass Vater Volker und Sohn Henning Dischleid, der ebenfalls im Betrieb arbeitet, Thanatologen sind. Thanatologie bedeudet nichts weniger als die Wissenschaft vom Tod, vom Sterben und der Bestattung - und zeigt, wie umfangreich dieses Gebiet ist. Fakt sei aber auch, so Volker Dischleid, dass der Tod inzwischen kein wirkliches Tabu mehr ist, seit Hospize und Palliativstationen in Krankenhäusern in der Öffentlichkeit ganz anders wahrgenommen werden. "Er gehört halt zum Leben dazu."

(arc)
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