Düsseldorf Schwierige Spurensuche in Gerresheim

Düsseldorf · Pfarrerin Cornelia Oßwald und ihr evangelischer Kollege Heinrich Fucks haben versucht, die Zeit des 1. Weltkriegs in ihrem Stadtteil aufzuarbeiten. Die Recherche gestaltete sich ohne Zeitzeugen und gutem Quellenmaterial als schwierig.

 Pfarrer Heinrich Fucks hat versucht, mit Hilfe weiterer Mitglieder der evangelischen Gemeinde Gerresheim die Zeit des Ersten Weltkriegs im Stadtteil aufzuarbeiten.

Pfarrer Heinrich Fucks hat versucht, mit Hilfe weiterer Mitglieder der evangelischen Gemeinde Gerresheim die Zeit des Ersten Weltkriegs im Stadtteil aufzuarbeiten.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Es ist eine diffizile Spurensuche, auf die sich Pfarrerin Cornelia Oßwald und Pfarrer Heinrich Fucks von der evangelischen Kirche in Gerresheim begeben haben, denn die Quellenlage ist dünn. Vor 100 Jahren begann der 1. Weltkrieg, und die beiden Geistlichen wollen diese schreckliche Epoche in ihrem Stadtteil aufarbeiten. Ausgangspunkt waren die beiden Gedenktafeln mit 160 Namen von Gefallenen, Protestanten aus Gerresheim, für die nach der Neugestaltung des Gemeindezentrums an der Heyestraße noch ein Platz gesucht wird. "Angedacht ist, sie im Turm der Gustav-Adolf-Kirche aufzuhängen", erzählt Fucks.

Warum die Recherche zu den Schicksalen, die sich hinter diesen Namen verbergen, so schwierig ist, liegt auf der Hand: "Zeitzeugen gibt es nicht mehr. Zudem wurde nach Ende des 1. Weltkriegs vieles noch sehr verklärt im Sinne einer Heldenverehrung gesehen. Realistische Erinnerungen betroffener Soldaten von der Front sind dagegen kaum überliefert, sie wurden offenbar verdrängt", sagt Fucks.

Es gibt jedoch Ausnahmen: Pfarrerin Oßwald gelang es mit Hilfe einer 85-Jährigen, den Lebensweg ihres Großonkels nachzuzeichnen. Er war Ingenieur und arbeitete bei Ohrenstein und Koppel im Lokomotivenbau, bevor er als Maat bei der Marine eingezogen wurde. In einem letzten Brief zum Geburtstag der Schwester im September 1918 äußerte er bereits seine Todesahnung. Gefallen ist der Mann laut einer Todesanzeige knapp einen Monat später.

Die Suche in Archiven sei dagegen wenig aufschlussreich gewesen, vieles sei auch noch nicht digitalisiert und daher vom Verfall bedroht, bedauert Fucks. "Es gab wohl mal eine Munitionsverladestation in Gerresheim, wahrscheinlich auch ein Lazarett in einer Schule. Exakt belegen konnten wir das aber nicht." Der Pfarrer sah sich bei seiner Spurensuche auch darin bestätigt, dass protestantische Gemeinden in ihrer Auf- und Nachbereitung der Kriegserlebnisse zur damaligen Zeit eher dazu neigten, nationalistische Töne anzuschlagen als katholische. Das sei in den 60er und 70er Jahren dann ganz anders gewesen: "Die Gedenktafeln waren innerhalb der evangelischen Kirchengemeinde überaus umstritten, die Rede war von chauvinistischem Heldengedenken - dabei war der nationalistische Bezug mit einem kleinen stilisierten Eisernen Kreuz vergleichsweise gering."

Wer die Fakten von den Schauplätzen des 1. Weltkrieges kenne, vermag abzuschätzen, wie schwierig es sei, Biografien Verstorbener nachzuzeichnen, sagt Fucks: "Ein Viertel der Gefallenen gilt als offiziell vermisst. Deren Körper wurden auf den Schlachtfeldern zerrissen, es wurden keine Identifikationsmarken gefunden, die Leichen demnach auch nie beerdigt. Und nach 1918 folgte das große Schweigen."

Es gibt dennoch eine weitere überlieferte Erzählung einer Gerresheimerin, von der Pfarrer Heinrich Fucks weiß: "Nach dem Tod des Vaters war der Ernährer weg, und das Leben der Hinterbliebenen nahm zwangsläufig eine ganz andere Richtung. Das Schulgeld war nicht mehr zu bezahlen, an ein Studium nicht zu denken, die Mutter musste sich darauf beschränken, irgendwie die Familie durchzubringen." Derartige Berichte hätte Fucks gerne mehr gesammelt.

(RP)
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