Grafenberg Die gute Seele

Grafenberg · Horst Choruschko feiert morgen seinen 80. Geburtstag. Ein Grund, mit der Arbeit aufzuhören, ist das für ihn nicht.In der Malerei Seelhorst in Grafenberg ist die Werkstatt sein Reich. "Ich brauche einfach die Beschäftigung", sagt er.

 Horst Choruschko in der Werkstatt der Malerei Seelhorst. Hier ist er der Chef, weiß, wo alles steht und hingehört.

Horst Choruschko in der Werkstatt der Malerei Seelhorst. Hier ist er der Chef, weiß, wo alles steht und hingehört.

Foto: Andreas Endermann

Horst Choruschko ist vieles: achtsam, fleißig, hilfsbereit, kommunikativ, kameradschaftlich, herzlich, beliebt. Und Horst Choruschko ist zuverlässig. "Und zwar zu 100 Prozent", betont Bernadette Seelhorst.

Daher wissen sie und ihr Mann Christoph auch nicht so recht, wie es einmal ohne "das Mädchen für alles" funktionieren soll in dem Betrieb für "Malerei, Anstrich und Wandgestaltung" an der Hardtstraße. Aber noch ist es ja nicht soweit, denn der Senior denkt nicht im Traum daran, mit der Arbeit aufzuhören. "Das hört sich alles ganz nett an, mit dem Ruhestand. Aber ich brauche einfach die Beschäftigung, kann nicht nichts tun", sagt der 79-Jährige, der seinen Geburtstag morgen nur in kleinem Kreis feiern will.

Choruschko kümmert sich in der Werkstatt, seinem Reich, um alles. Er nimmt Materiallieferungen von Lieferanten an und sortiert diese penibel genau dort ein, wo sie hingehören - nach seinem System. Er reinigt die Pinsel, Walzen und Farbeimer. Er kümmert sich um die umweltgerechte Entsorgung von Farbschlamm, Bauschutt und anderem Abfall. Wenn sonst gerade keiner da ist, empfängt Choruschko auch Kunden, die zum Beratungstermin in den Showroom kommen, der von der Ludenberger Straße aus betreten werden kann. Er macht das jeden Werktag von 8 bis 13 Uhr, zwischendurch gönnt er sich in seinem kleinen Ruheraum auch mal einen Kaffee und eine Zigarette. Wenn denn die Zeit dafür da ist. Choruschko ist meistens alleine, aber das macht ihm nichts aus. Nur früh am Morgen kommen die Mitarbeiter des Elf-Mann-Betriebs und holen ihr Material ab. Dann gibt es auch schon mal eine Ansage von Choruschko, wenn etwa die Azubis nicht sorgsam mit den Sachen umgehen. "Das passt denen zwar nicht, aber das muss manchmal sein", sagt er bestimmt.

Horst Choruschko mäht auch den Rasen, und damit fing eigentlich alles an. 1994 übernahmen die Seelhorsts das Hofgebäude und eröffneten dort ihren Showroom inklusive Werkstatt. Horst Choruschko wohnte zu diesem Zeitpunkt bereits im Haupthaus über dem Betrieb mit seiner Frau Heidi. Er kümmerte sich damals schon regelmäßig um den Garten, und Bernadette und Christoph Seelhorst brauchten unbedingt einen Werkstattleiter. Dann ging alles ganz schnell.

Seit 1957 arbeitete Horst Choruschko zuvor in der Gerresheimer Glashütte als Lagerist. "Da kam man nur mit Fürsprache rein, das war nicht so einfach", erinnert er sich an die Hochzeit des Unternehmens, als noch mehr als 10.000 Menschen an der Heyestraße ihre Brötchen verdienten. Doch plötzlich ging es ab Mitte der 70er Jahre wirtschaftlich steil bergab mit der Glashütte, Sozialleistungen wurden drastisch gekürzt, mehrfach wechselte das Unternehmen den Besitzer. Choruschko war 60 Jahre alt, als man ihm den vorzeitgen Ruhestand nahelegte. Er nahm an. 2005 gingen nach mehr als 140 Jahren Firmengeschichte in der Glashütte endgültig die Lichter aus. "Ein Jammer", sagt Choruschko melancholisch.

Geboren wurde er am 30. Januar 1935 in Templin in der Uckermark, zwei Brüder und drei Schwestern zählt die Familie außer ihm. "Von dort wurden wir nach dem Krieg von den Russen vertrieben, alle mussten raus", erzählt Choruschko ohne Zorn. Es war halt so, eben nicht zu ändern. Die Familie wurde im Verlauf der folgenden Jahre verstreut, aber das ist eine andere Geschichte. 1957 zog es Horst Choruschko nach Dormagen, wo er vier Tage lang bei Bayer arbeitete. "Ich wollte aber nach Düsseldorf, da wohnten zwei meiner Schwestern", sagt er. Es klappte, ebenso wie mit der Anstellung in der Glashütte. Choruschko wohnte im Haus am Staufenplatz, in dem heute das Restaurant Marco untergebracht ist. Dort lernte er seine heutige Frau Heidi kennen. Eine Tochter haben die beiden, inzwischen auch zwei Enkel. Das Paar zog später einige Häuser weiter, dort hin, wo heute die Seelhorsts ihr Geschäft haben. Wegziehen will er dort nicht mehr. So schließt sich der Kreis.

Horst Choruschko hat früher gerne Möbel restauriert, liebte das Wandern und Skifahren mit seiner Frau. Heute macht er nicht mehr viel. Mit Hund Lilli spazieren gehen vielleicht noch, einem neunjährigen King Charles. Außerdem hat er ja noch die Arbeit. Und die gibt ihm viel, seine Frau zeigt Verständnis. "Es sind ja nur fünf Stunden am Tag", sagt er, "aber die sind mir wichtig. Ich muss gebraucht werden. Sonst wird mir langweilig".

(RP)
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