Düsseldorf Sie trinken, fluchen und riechen schlecht

Hafen · Die Treidelschiffer gehörten über Jahrhunderte zum Düsseldorfer Stadtbild. Ein neues Buch des Geschichtsvereins zeichnet nun ihr Ende nach. Und wirft einen Blick auf die Gesellschaft vor der Dampfmaschine.

 Ein Ausschnitt aus dem Gemälde "Treidelzug bei Düsseldorf Hamm" von Oscar Detering.

Ein Ausschnitt aus dem Gemälde "Treidelzug bei Düsseldorf Hamm" von Oscar Detering.

Foto: Geschichtsverein

Den wenigsten Düsseldorfern mag es beim Sonntagsspaziergang am Rheinufer bewusst sein, doch die meisten der Pfade, auf denen sie wandeln, sind alte Treidelpfade. Hier wurden jahrhundertelang die Schiffe den Rhein hinauf gezogen, meist von Pferden, aber auch von Menschen.

Das Treideln und die Treidelschifffahrt gehörte zum Stadtbild, wie heute die Menge auf der Rheinuferpromenade. Und mancher mag auch andere Parallelen zwischen den Menschen, die sich heute am Fluss aufhalten und denen von damals finden. Denn es wurde viel getrunken, geschrien und es roch nicht besonders gut.

Zumindest monierten das die Reisenden auf dem Rhein. Nachzulesen ist das in dem neuen Buch von Ulrike Stursberg, herausgeben vom Düsseldorfer Geschichtsverein. Sie hat sich mit dem Ende der Treidelschifffahrt beschäftigt und trägt nicht nur Fakten über die Rheinschifffahrt zusammen, sondern zeichnet mit ihrer Arbeit auch ein Sittengemälde einer Gesellschaft am Vorabend der industriellen Revolution. Denn was heute alltäglich anmutet, wurde von den Zeitgenossen teils als bedrohliche Technik wahrgenommen. Viele Einnahmequellen der am und vom Fluss lebenden Bevölkerung hingen direkt oder indirekt von der Treidelschifffahrt ab. Diese Einnahmen wurden von fürchterlichen Dingen bedroht, die zudem noch mehr stanken, als jene Menschen, die am Rheinufer ihre Pferde antrieben, um die Boote zu ziehen: von Maschinen.

Die Maschinen bedrohten eine komplette Wirtschaft, denn nicht nur die Treidelknechte waren auf das Geld angewiesen, dass sie damit verdienten, Schiffe den Rhein hinauf zu ziehen. Vom Treideln lebten Pferdeführer, Besitzer von Mietpferden, Herbergen und Gaststätten, die Pferdeführer und Pferde versorgten, es lebten davon die Hersteller von Pferdeleinen und Zuggeschirr, sowie Treidelfähren, die den Treidelzug gegen Bezahlung auf das andere Ufer übersetzten, wenn dort die Strömung geringer und die Wassertiefe günstiger war.

Besonders am Rhein hatte sich eine florierende Treidelwirtschaft entwickelt, denn gute Landstraßen gab es kaum, außerdem war das Treideln bei große Lasten eine physikalische Notwendigkeit: Im Wasser entsteht weniger Reibung als an Land. Sind Schiffe erst einmal in Fahrt gebracht, ist vor allem der Transport schwerer Güter wesentlich einfacher. So steigt die Zugkraft eines Pferdes von durchschnittlich 1,8 Tonnen auf der Straße auf 70 bis 100 Tonnen im stehenden Wasser, außerdem können Schiffe schlicht mehr Ladung aufnehmen als gängige Landfahrzeuge. Letztlich ist das auch der Grund, warum die Binnenschifffahrt auch heute noch so attraktiv ist.

Die Treidelschifffahrt war anstrengend und nicht ungefährlich. So konnte ein Schiff etwa ruckartig in einen Strudel geraten und den kompletten Zug so ins Wasser ziehen. Oft ertranken Pferde und Menschen dann. Seile konnten reißen, Pferde durchgehen, zumal sie Hafer versetzt mit Wein fraßen und ähnlich wie ihre Besitzer meist angeschickert waren.

1816 fuhr das erste Dampfschiff auf dem Rhein. Den Treidelknechten blieb noch eine Übergangszeit, doch mit der Perfektionierung der Technik, waren sie überflüssig geworden. Nur ihre Pfade erinnern noch an sie.

(RP)
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