Hamm Drei Generationen Schützen

Hamm · In Hamm sind die van der Wingen dem Brauchtum eng verbunden. Bei der gestrigen Parade waren alle dabei.

 Die Familie van der Wingen: Großvater Hans (Mitte) mit den Söhnen Heinz Josef (l) und Hans Peter sowie den Enkeln Peter (l.) und Johannes

Die Familie van der Wingen: Großvater Hans (Mitte) mit den Söhnen Heinz Josef (l) und Hans Peter sowie den Enkeln Peter (l.) und Johannes

Foto: RP-Foto; Anne Orthen

Für Schützenkönig Heinz Josef van der Wingen beginnt sein großer Tag um 11 Uhr morgens ganz unmajestätisch auf dem Fahrrad. Rund zwei Stunden hat er Zeit, um den 13 Hammer Schützenkompanien einen Besuch abzustatten. Sich vorstellen, sein Ständchen bekommen, eventuell noch ein Bier trinken, dann geht es schon weiter zur nächsten Kompanie, wo das gleiche Spiel von vorne beginnt. Im Schnitt stehen ihm dafür nicht mehr als zehn Minuten pro Kompanie zur Verfügung. Der Einsatz des Fahrrades hat also pragmatische Gründe: "Mit dem Auto würde ich viel länger brauchen", erklärt er. Im Schlepptau folgen ihm seine beiden Brudermeister, ebenfalls auf dem Fahrrad. Einer ist sein Bruder Hans-Peter. Denn das Schützentum hat bei den van der Wingens lange Tradition.

Detailgetreu haben die van der Wingens jedes wichtige Datum ihrer Schützenlaufbahn handschriftlich in einer Chronik notiert. Heinz Josefs Großvater Peter gehörte 1927 zu den Gründern der Hubertuskompanie und war 1964/65 Schützenkönig. Sein Vater Hans folgte sieben Jahre später. So überrascht es nicht, dass Heinz Josef früh bei den Schützen aktiv wurde. 1983 wurde er Mitglied der Jungschützenkompanie (Jüko), deren Kompaniekönig er 1994 war. 1996 trat er der Garde bei, deren König er wiederum 2009 wurde. Obwohl es mit dieser Biografie nur eine Frage der Zeit zu sein schien, bis er irgendwann auch einmal König würde, kam sein Königsschuss im vergangenen Jahr für seine Familie vollkommen unerwartet. Die Entscheidung sei spontan aus dem Bauch heraus gefallen, sagt er. "45 Jahre nach der Regentschaft meines Vaters erschien mir als guter Zeitpunkt, selbst König zu werden", erklärt er. Die anfängliche Überraschung seiner Familie wich schnell großer Freude. "Ich bin sehr stolz", berichtet sein Vater Hans mit einem Lächeln.

Nach Besuch der Kompanien darf Heinz Josef seinen Drahtesel gegen die wesentlich feudalere Kutsche eintauschen, mit der es zur Paradeaufstellung auf der Fährstraße geht. An diesem Tag ist alles eng getaktet, Zeit zum Durchatmen bleibt dabei nicht. In der Kutsche trifft Heinz Josef unterdessen seine Ehefrau, Schützenkönigin Inge. Dass die Königin auch an der Parade teilnimmt, ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. "Als ich damals Königin war, stand ich wie eine ganz normale Zuschauerin am Straßenrand", erinnert sich Heinz Josefs Mutter Käthi an ihre Regentschaft 1972. Trotz aller Tradition: Auch im Schützentum gibt es Raum für Veränderungen.

Bei bestem Wetter zieht das Königspaar an diesem Tag durch die Straßen von Hamm, ehe es unter Beifall der zahlreichen Zuschauer am Straßenrand in das Schützenzelt einzieht. Im Anschluss an die Parade folgt nach festlichem Einzug in das Schützenzelt das Königschießen der Jungschützenkompanie.

Der letzte Punkt auf der königlichen Tagesordnung ist der große Festball bis spät in die Nacht. Danach bleibt nur wenig Zeit zur Regeneration für Heinz Josef van der Wingen. Denn schon heute Nachmittag folgt der große Festzug durch den Ort mit anschließender Parade, bevor um halb sieben am Abend sein Nachfolger beim Königsschießen gekürt wird und sich seine Regentschaft ihrem Ende zuneigt. Zwar bleibt der König noch traditionell bis Fronleichnam Mitglied des Vorstandes, doch das Augenmerk liegt dann schon auf seinem Nachfolger. Theoretisch die Chance für seinen Bruder Hans-Peter, das Zepter zu übernehmen. Doch der winkt ab. "Das vergangene Jahr war erst einmal genug Trubel für unsere Familie", erklärt er. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

(RP)
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