Düsseldorf Heerdt im Wandel Grillen und Yoga im Gewerbepark

Heerdt · An der Wiesenstraße in Heerdt siedeln sich immer mehr ungewöhnliche Mieter an. Ein Beispiel für den Wandel im ganzen Stadtteil.

 Auf dem Gelände an der Wiesenstraße wurde früher Stahl gegossen.

Auf dem Gelände an der Wiesenstraße wurde früher Stahl gegossen.

Foto: Endermann Andreas

Der Sound der Wiesenstraße in Heerdt ist rau. Lkw brummen, Kleintransporter rauschen die Fahrbahn entlang und Fabriktore schließen ratternd. Es ist ein geschäftiges Gewerbe- und Industriegebiet, das die Straße säumt: Kleine Fabriken und graue Verwaltungsgebäude neben einem Aldi-Supermarkt und einem bunten Restaurant, das Speisen aus Ibiza anbietet. Doch auf dem ehemaligen Fabrikgelände an der Ecke der Clarissenstraße wird es ruhiger. Wo früher Stahl gegossen wurde und Metallsägen röhrten, werden heute Grills verkauft und Kaffee geröstet. "Sirius Business Park" heißt das Gelände heute. Kleine Bäumchen säumen den Weg zwischen den Backsteingebäuden, Hallen sind durchnummeriert, jeder Parkplatz hat einen Namen. Ein Stück Stadt im Wandel.

In Heerdt, wo Düsseldorf an den geschäftigen Neusser Hafen grenzt, ist in den vergangenen Jahren vieles in Bewegung geraten. Unter den ansonsten gut betuchten linksrheinischen Stadtteilen ist Heerdt eher das kontrastreiche Arbeiterviertel. Lange habe der Stadtteil hinter Nieder- und Oberkassel zurückstecken müssen, sagt Stadtsprecher Michael Frisch. "In den letzten Jahren finden die wesentlichen Entwicklungen im Linksrheinischen aber im Stadtteil Heerdt statt." Mit den Stadtvillen der Heinrich-Heine-Gärten schwappt ein wenig Luxus von Oberkassel nach Heerdt hinein, im Ökotop Heerdt, einer ökologischen Siedlung, wird noch fleißig gebaut und moderne Wohnungsbauprojekte wie "Rheinkilometer 740" oder "Papillon", bei dem aus einem Bunker preisträchtige Architektur gemacht wurde, sprießen aus dem Boden.

Doch das war nicht immer so. Als André Unterberg (32) seine Eltern im August 2014 mit zum Sirius Business Park nimmt, weinen sie. Ausgerechnet hier will er sein Geschäft aufmachen? Die Kabel in der kleinen Halle hängen von der Decke, die Wand ist voller Löcher und eine Heizung gibt es nicht. Der Sohn hat seinen Job als Versicherungskaufmann geschmissen, jetzt will er Grills verkaufen - in diesem Loch.

 Carsten Goms, Patrick Schmiedel und Dominik Hegemeier (von links) bereiten ein Seminar in der Grillschule vor.

Carsten Goms, Patrick Schmiedel und Dominik Hegemeier (von links) bereiten ein Seminar in der Grillschule vor.

Foto: Endermann Andreas

Heute stehen die Geräte gewienert aufgereiht, an den weißen Wänden hängen Regale mit Grillsoßen, durch die Fenster im schrägen Dach fällt Tageslicht. Ein Teil des großen Raumes hat Unterberg mit seinem Kollegen Patrick Schmiedel (40) zu einer Grillschule umfunktioniert. Neben der Küche stehen lange, massive Holztische mit grünen Platzdeckchen, an denen nach der Schulung gegessen wird.

"Die waren die einzigen, die uns haben wollten", sagt Unterberg mit Blick auf den Grillgeruch über die Firma Sirius Facilities, die das Gelände im Jahr 2008 gekauft hatte, um es zu entwickeln. Aufmöbeln und vermieten, würde man auf gut Deutsch sagen. Es scheint ihnen zu gelingen. Denn spätestens als das "Grillfachgeschäft" 2014 auf das Gelände kommt, ziehen andere nach. Ein Fotograf, eine Kaffeerösterei und ein Ausstatter für Badezimmer sorgen für Publikumsverkehr. Und seit einigen Monaten auch ein Yogastudio.

 Christine Giesen (stehend) hat in einer ehemaligen Werkswohnung "Yogaslove" gegründet und gibt dort Kurse.

Christine Giesen (stehend) hat in einer ehemaligen Werkswohnung "Yogaslove" gegründet und gibt dort Kurse.

Foto: Endermann Andreas

Christine Giesens "Yogaslove" liegt direkt gegenüber der Grillschule, bunte Girlanden hängen vor der Tür. Die ehemalige Werkswohnung hat eine Dusche, von der Wand hat Giesen den Putz abgeklopft, jetzt ist auch innen der Backstein zu sehen. "Ich finde, dass Heerdt sich total macht und habe das Potenzial gesehen", sagt die 53-Jährige.

Linksrheinisch prognostiziert das "Stadtentwicklungskonzept Düsseldorf 2020" des Planungsamtes Heerdt den höchsten Bevölkerungszuwachs in der Landeshauptstadt. Darauf setzen wohl auch die Gewerbetreibenden und nutzen die revitalisierten Industrieanlagen wie den Sirius Business Park.

"Wenn Stadt sich erneuern soll, kann nicht ein Stein auf dem anderen bleiben", sagt Alexander Schmitz, Professor am Institut für Stadtplanung und Städtebau an der Universität Duisburg-Essen. "Revitalisierung kann alles bedeuten - gute oder schlechte Entwicklungen." Wohnungen könnten teurer werden, Bewohner könnten verdrängt werden. Das Leben rund um die Wiesenstraße, es könnte rauer werden.

(mre)
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