Heerdt Gelebte Ökumene

Heerdt · Im vergangenen Jahr wurde die Bunkerkirche am Pastor-Klinkhammer-Platz 1, der koptisch-orthodoxen Gemeinde übergeben. Seitdem feiern dort sowohl die Kopten als auch die Katholiken ihre heiligen Messen.

 Christian Gerges, Vorstandssprecher der koptischen Gemeinde, in der Bunkerkirche, die im nächsten Jahr eine Ikonenwand bekommt.

Christian Gerges, Vorstandssprecher der koptischen Gemeinde, in der Bunkerkirche, die im nächsten Jahr eine Ikonenwand bekommt.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Die koptisch-orthodoxe St. Marien-Gemeinde ist noch nicht komplett in Heerdt angekommen, doch feiert sie dort bereits regelmäßig ihre heiligen Messen mit den Priestern Vater Boules (Paulus) und Vater Petrus. Letzterer ist Professor an der Uni Bielefeld. Ein Miteinander mit der katholischen Pfarre "St. Antonius und St. Benediktus", die dort zum Beispiel am 24. Dezember um 17 Uhr ihre Christmette feiern wird. Da trifft es sich gut, dass die Kopten das Weihnachtsfest nicht am 24. Dezember, sondern erst am 6. Januar feiern werden. Nicht der einzige Unterschied zwischen den Gemeinden.

 So etwa wird die Ikonostase aussehen. Kleine Änderungen sind noch möglich. Damit der Altar erhalten bleibt, wird der Eingang größer gestaltet.

So etwa wird die Ikonostase aussehen. Kleine Änderungen sind noch möglich. Damit der Altar erhalten bleibt, wird der Eingang größer gestaltet.

Foto: Gerges

Was anders ist, erklärt Christian Gerges, Diakon und Vorstandssprecher der koptischen St. Marien-Gemeinde. "Unsere heilige Messe beginnt am 6. Januar um 20 Uhr und zieht sich bis Mitternacht hin." Die Liturgie gleiche in ihrer Struktur zwar der katholischen Kirche, werde aber sehr ausgiebig zelebriert. Und noch etwas Erstaunliches unterscheidet die eine von der anderen Kirche. Gerges: "Unsere Mitglieder fasten neun bis zwölf Stunden vor der Kommunion." Das sei schon eine Herausforderung für die aus 1000 Familien bestehende Gemeinde, die aus ganz NRW anreisten, zum Beispiel aus Bielefeld oder Bonn. Erst anschließend, bei der Agapefeier, essen wir gemeinsam im Saal der benachbarten Kita Thomas Morus." Damit aber die koptischen Kinder nicht zugucken müssen, wenn ihre deutschen Nachbarn an Heiligabend Geschenke bekommen, werden auch sie an diesem Tag mit kleinen Gaben bedacht. Beim Weihnachtsschmuck passen sich die Kopten ebenfalls an. "Die Familien stellen Tannenbäume auf, die wir als Symbol für das Kreuz interpretieren", ergänzt Gerges.

Die Ausstattung des Innenraumes der Bunkerkirche lässt noch nicht auf die neuen Hausherren schließen. Lediglich eine Ikone von Johannes dem Täufer und zwei Schränke kündigen die Veränderung an. In einem werden Partikel von Gebeinen Heiliger bewahrt, der andere ist der Jungfrau Maria gewidmet, Schutzpatronin der koptischen St. Marien-Gemeinde. Im nächsten Jahr soll die hölzerne "Ikonostase" (Trennwand zwischen Kirchenraum und Altar) "implantiert" werden, wie es heißt. Gerges: "Die Holzstruktur wird gerade in Ägypten hergestellt." Die Ikonen fertige Stephan René, Dozent in England, nach byzantinischer und koptischer Tradition an.

Das riesige Kreuz über dem Altar der Bunkerkirche, das ein Vater, der seine drei Söhne im Krieg verlor, in Handarbeit hergestellt hat, lässt sich kaum in die Ikonenwand integrieren. "Das Kreuz ist sehr beeindruckend. Wir suchen einen Alternativstandort an einer der Wände im Innenraum", sagt Gerges. Während die Kanzel in Absprache mit dem Denkmalamt abgebaut wird, bleibt der Altar erhalten. "Dafür wird der Eingang der Ikonostase, anders als üblich, extra breit angelegt. Und mit Rücksicht auf die gebogenen Altarstufen wird sie entgegen der traditionellen Form rund sein. Der Vorstandssprecher lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Rücksichtnahme auf das katholische, denkmalgeschützte Gotteshaus nicht leicht gefallen ist. "Wir wollen die Grundstruktur der Bunkerkirche erhalten, andererseits aber die koptische Tradition nicht vernachlässigen." Gelebte Ökumene, die Gerges, der im Brotberuf "Funktions-Oberarzt" im Evangelischen Krankenhaus (EVK) ist, neben der Arbeit mit Jugendlichen sehr am Herzen liegt. Er ist überzeugt, dass nur der Dialog, der offene Austausch zwischen allen Völkern, rechtspopulistischen Parteien Paroli bieten kann. Dabei hat er auch den Neubau im Blick, der seitlich an die Bunkerkirche (Heerdter Landstraße) angebaut und als vielseitiges Bürgerzentrum genutzt werden soll. Und der Austausch ist bereits in vollem Gange, denn mit den Heerdter Senioren von St. Sakrament hat die koptische Gemeinde bereits eine Schifffahrt unternommen und mit den Heerdter Schützen Kontakte geknüpft. Ein Konzert in Kooperation mit Kirchenmusiker Peter Zimmer ist ebenfalls schon geplant. Der koptische Kinderchor wird mit den Heerdter "Trillerspatzen" gemeinsam singen. Erklingen werden Lieder in Englisch, Französisch, Deutsch und Arabisch. Im Gespräch ist auch eine gemeinsame Ausstellung mit der jüdischen Gemeinde.

"Wir wollen für alle Menschen und Religionen offen sein", betont Gerges. "Wir sind eine Flüchtlingsgemeinde. Deshalb ist es uns besonders wichtig, auch etwas an die zurückzugeben, die uns aufgenommen haben."

(RP)
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