Holthausen Ein deutscher Bilderbogen

Holthausen · Die Künstler Thomas Baumgärtel und Harald Klemm zeigen ab heute anlässlich des 25. Jahrestags der deutschen Wiedervereinigung Werke rund um das Thema in der Ausstellungshalle der "Werft 77" im Reisholzer Hafen.

 Thomas Baumgärtel (l.) und Harald Klemm - beide in Westdeutschland geboren - in der Ausstellungshalle "Werft 77". Im Hintergrund sind einige der ausgestellten Werke zur 25-jährigen Deutschen Einheit zu sehen.

Thomas Baumgärtel (l.) und Harald Klemm - beide in Westdeutschland geboren - in der Ausstellungshalle "Werft 77". Im Hintergrund sind einige der ausgestellten Werke zur 25-jährigen Deutschen Einheit zu sehen.

Foto: Dirk Balke

In der Praxis bleiben die Künstler Thomas Baumgärtel und Harald Klemm den Beweis, dass sie gut zusammenarbeiten können, nicht schuldig. Beide Künstler zeigen bestes Teamwork und arbeiten mit Hochdruck an der Vorbereitung der Ausstellung "25 Jahre Deutsche Einheit", die heute Nachmittag - am Tag der deutschen Einheit - im Beisein von Schirmherr Oberbürgermeister Thomas Geisel in der Ausstellungshalle Werft 77 (Reisholzer Hafen) eröffnet wird.

Aber auch konzeptionell können Baumgärtel, der nicht nur durch seine Kunst bekanntgeworden ist, sondern auch durch seine Graffito-Banane, die er als Auszeichnung besonderen Kunstorten verleiht, und Harald Klemm gut miteinander. Dirk Balke, Künstler und Galerist der Art-Eck Galerie in Solingen, hat sich als Kurator bei dieser Ausstellung, bei der nur der Titel an eine Präsentation der Bundeszentrale für politische Bildung erinnert, eingebracht.

"Meine halbe Familie und deren Geschichte hat mit Flucht und Leben in der ehemaligen DDR zu tun" erklärt der in Mönchengladbach geborene Klemm sein Interesse für die Thematik. Diese wird aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln - was die Baumgärtel-Banane betrifft, auch häufig mit ironischem Augenzwinkern - malerisch dargestellt wird. Auf dem Bild "Danke Willy", das den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt beim Kniefall in Warschau zeigt, wird an seine Ostpolitik als erste Weichenstellung in Richtung Einheit erinnert. Diese fällt dann seinem späteren Nachfolger, einem lachenden Helmut Kohl, in Form eines Konfetti-Regens aus pointillistisch dargestellten Bananen förmlich in den Schoß. Das Einstein-Zitat "Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben" dient als Titel für ein besonderes Bild. Es zeigt das Brandenburger Tor nicht nur in einem blühenden Umfeld von Kitsch-Tapeten, sondern bei dem auch die kriegerische Quadriga durch das Schwerter-zu-Pflugscharren-Sinnbild ersetzt wird. Kartoffeln sind unter einem Glasdeckel zu sehen, während auf der Stele "Das Kapital" zu lesen ist. "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" hatte einst auch schon Bert Brecht erkannt, und Klemm gibt zu, dass die Mangelwirtschaft in der DDR ein wesentlicher Grund für die friedliche Revolution war. Erst später haben die Menschen erkannt, dass sie auch viele liebgewordene Annehmlichkeiten des alten Systems aufgeben mussten. "Gerade diese Verlustangst erklärt vielleicht die Angst der Menschen im Osten vor den Flüchtlingsströmen, denn sie wollen nicht schon wieder etwas verlieren", sagt Klemm, der bei allem Verständnis für die Historie aber auch auf das Schicksal der Flüchtlinge aus aktuellen Kriegsgebieten, etwa in Syrien, und deren Hilfsbedürftigkeit hinweist. Sein Bild "Neue German Angst", das ein vor dem Brandenburger Tor gestrandetes Schlauchboot zeigt, ist sein Bekenntnis zu humanitärer Hilfeleistung. Die Angst, dass aus dem stolzen Reichsadler von gestern ein grob gezimmerter mickriger Holzvogel wird, ist seiner Ansicht nach unbegründet.

(sb-)
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