Hubbelrath Raus aus der Großstadt

Hubbelrath · Es gibt sie, die nahezu unberührte Natur in Düsseldorf - zum Beispiel im Rotthäuser Bachtal südlich von Hubbelrath. Das Naturschutzgebiet hat viele schöne Seiten, aber durchaus seine Tücken. Ein Selbstversuch.

 Roger Bähr kennt die Natur in seinem Rotthäuser Bachtal genau - und berichtet darüber auf der Naturerlebniswanderung.

Roger Bähr kennt die Natur in seinem Rotthäuser Bachtal genau - und berichtet darüber auf der Naturerlebniswanderung.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Es beginnt im Hexhof am Rotthäuser Weg. 15 Wanderer und ein Mops folgen Roger Bähr, Leiter der Landschaftspflegestation, ins Grüne. Vorbei an knallgelb leuchtenden Rapsfeldern geht es über einen Hohlweg, an den Seiten drei Meter hohe Böschungen mit Wildbewuchs, hinab in das seit 1984 als Naturschutzgebiet ausgewiesene Rotthäuser Bachtal.

Die Großstadt ist hier scheinbar weit entfernt, für zwei Stunden nehmen wir, die Teilnehmer der Naturerlebniswanderung, Abschied von der Zivilisation - auch wenn durch die Baumwipfel zu erkennende Stromleitungen verraten, dass die Stadt so weit weg dann doch nicht ist. Bähr bleibt oft stehen und erklärt viel: Dass jene Esche stirbt, die Rotbuche grüne und die Blutbuche rote Blätter hat. Dass Schmetterlinge gerne Brennnesseln essen und sich Imker vorzugsweise eine rauchen, wenn sie ihre Bienen beruhigen wollen. Dass, wer die Frucht des Aronstabs in den Mund nimmt, das Gefühl hat, er kaue auf einer Scherbe. Irgendwo weiter hinter in der Pampa soll der sehr seltene Riesen-Schachtelhalm wachsen. Wir sehen ihn nicht, Bähr zumindest vor seinem inneren Auge. Der Forstwirt kennt sich aus, das ist seine Welt. Der Blick ins Tal ist atemberaubend.

Der Gesang der Goldammer ertönt aus den Hecken, der Teichrohrsänger singt lieber im Schilf. Im Rotthäuser Bachtal soll es viele für uns exotische Tierarten geben - wie die Blaugrüne Mosaikjungfer, die Libelle oder den Eisvogel. Bähr hat schon Ringelnattern, Rotwangenschildkröten und Feuersalamander (die allerdings im Stadtwald) zu Gesicht bekommen. Ebenso erzählt er von Biber und Uhu, die sich seit kurzem auch hier angesiedelt haben. Wir sehen auf dem kleinen Teich allerdings nur zwei Enten. Eine Reiterin kommt uns mit ihrem Hund entgegen. Bähr ermahnt sie, dass der Vierbeiner im Naturschutzgebiet angeleint gehört. Unser Mops bellt bestätigend.

Dass kein falscher Eindruck entsteht: Diese Wanderung lohnt sich, es ist wie der Ausflug in eine andere, uns Großstädtern fremd gewordene Welt. Und natürlich haben der riesige Bärenklau oder die auf der roten Liste bedrohter Pflanzenarten stehende Brunnenkresse ihren Reiz. Doch wenigstens ein süßes Bambi in der Entfernung oder Meister Lampe, der fröhlich durch das angrenzende Feld hoppelt, wären zweifelsfrei eine Aufwertung dieser kleinen Expedition.

Stattdessen gibt der Trampelpfad in Ufernähe verdächtig nach. Das trotz vorheriger Warnung gänzlich ungeeignete Schuhwerk versinkt im Matsch. Wir kriechen unter durch Ela gefällte Buchen hindurch, die den Weg versperren, versuchen krampfhaft, dem Schlamm durch Sprünge zwischen auf dem Boden liegenden Ästen zu entgehen. Erste Seitenstiche machen sich nach mehr als einer Stunde bemerkbar. Es beginnt zu regnen. Muss das wirklich sein? Im Redaktions-Büro ist es auch schön.

Ja, es muss. Es kann nie schaden, am eigenen Leib zu erfahren, dass wir nur ein kleiner Bestandteil der großartigen Natur sind. Und dass wir die Arbeit eines Natur- und Landschaftspflegers wie Roger Bähr, der versucht, dieses Paradies für die Nachwelt zu erhalten, wertschätzen. Wie schwer die manchmal ist, lässt sich an einer Geschichte ablesen, die Bähr erzählt: Er berichtet, dass es zehn Jahre gedauert hat, bis man die in den USA lebende Erbengemeinschaft eines Ackers von dem Sinn eines naturnahen Randstreifens, in dem Tiere eine Rückzugsmöglichkeit finden, überzeugen konnte.

Die Wanderung entlang von malerischen Streuobstwiesen und für ein feuchtes Tal so typischen Auenwäldern nähert sich dem Ende, die ersten Häuser sind wieder zu erkennen. Und plötzlich auf einer eingezäunten Wiese: eine Herde Skudden mit zwei Dutzend kleinen Lämmchen, die quietschfidel durch das Gras hüpfen. Endgültig begeistert von der Schönheit des Rotthäuser Bachtals (und seinen Randgebieten) geht es zurück von der Natur in die Kultur. Auf ein baldiges Wiedersehen.

(RP)
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