Hubbelrath Sternsinger mit 84 Jahren

Hubbelrath · In Hubbelrath übernehmen statt Kindern Senioren das Sternsingen. Statt Süßigkeiten bekommen sie Kartoffelsäcke oder Schnaps angeboten. Gründe für den Einsatz sind der Nachwuchsmangel und sehr weite Wege.

 Sie haben wohl die größte Erfahrung unter allen Sternsingern Deutschlands: Bis auf die entlegensten Hubbelrather Höfe ziehen Gerd Lange, Peter Happe, Ralph Massing und Heijo Wicharz (v.l.) sowie Sternenträgerin Daria Hullermann.

Sie haben wohl die größte Erfahrung unter allen Sternsingern Deutschlands: Bis auf die entlegensten Hubbelrather Höfe ziehen Gerd Lange, Peter Happe, Ralph Massing und Heijo Wicharz (v.l.) sowie Sternenträgerin Daria Hullermann.

Foto: bernd schaller

In diesen Tagen sind wieder tausende von Kindern in den katholischen Kirchengemeinden im Land als Sternsinger unterwegs, um den Segen zu bringen und Gelder für Kinder in Not zu sammeln. Doch vielen Kirchen gehen die Jungen und Mädchen aus. In immer mehr Gemeinden können deshalb schon lange nicht mehr alle Bewohner besucht werden, gibt es oft nur noch den Segen nach vorheriger Anmeldung. Diesem Trend trotzen seit 16 Jahren sehr erfolgreich vier Senioren in Hubbelrath. Die Mitglieder der St. Sebastianus Schützenbruderschaft 1635 übernehmen dort die Rollen von Kaspar, Melchior und Balthasar und lassen nicht einen einzigen der weitverstreuten Höfe aus.

"Wir kommen zu jedem Bewohner aus Hubbelrath, egal welcher Religion er angehört", sagt Gerd Lange. Das ist mit einem großen zeitlichen Aufwand verbunden, denn dafür legen die Herren oft an einem Tag 50 Kilometer im Auto zurück und sind fünf Tage lang von 10 bis 20 Uhr im Einsatz. Zudem nehmen die Sternsinger ihre Rolle sehr ernst. Sie tragen nicht nur wunderschöne Gewänder, sondern haben ein aufwendiges Zeremoniell einstudiert. Dazu gehört ein Gedicht, dessen sechs Strophen im Wechsel vorgetragen werden, das Schreiben des Segensspruchs C+M+B (Christus mansionem benedicat - Christus segne dieses Haus), dessen Bedeutung den Hausbewohnern erklärt wird, die Bitte um eine Spende und das Sternsingerlied "Seht ihr unsern Stern dort stehen".

"Weil wir wirklich sehr gut singen, haben einige Menschen Tränen in den Augen. Manche Leute greifen nach dem Lied auch noch einmal zur Geldbörse und erhöhen die Spende", sagt Heijo Wicharz. Er ist mit 84 Jahren der älteste Sternsinger der munteren Truppe, zu deren Stammmannschaft auch noch Peter Happe und Ralph Massing gehören. Zudem stehen noch Heinz Schmoock, Lutz und Lara Hullermann bereit, um einzuspringen, wenn einer der Senioren verhindert ist.

Da die Hubbelrather immer noch mit einem Sternträger und manchmal mit einem Kameltreiber unterwegs sind, würden sie sich über weiteren Zuwachs freuen. "Dann könnten zwei Gruppen gleichzeitig losziehen."

Rund 7000 Euro sammeln die Herren jedes Jahr. "Das ist eine tolle Summe, aber uns liegt es besonders am Herzen, den Leuten den Segen zu bringen. Viele Menschen warten darauf und rufen vorher an, um sicher zu gehen, dass wir wirklich kommen", sagt Lange. Nur ein einziges Mal seien sie in den vielen Jahren abgewiesen worden.

Während junge Sternsinger oft auf ihrem Rundgang Süßigkeiten erhalten, wird den erwachsenen Sängern schon einmal ein 25-Kilogramm-Sack Kartoffeln ins Auto geladen oder Schnaps angeboten. "An einem Tag hätten wir so 34 Schnäpse trinken können", sagt Wicharz. Das habe man aber natürlich abgelehnt. "Wir wollen schließlich würdevoll auftreten, glaubwürdig sein. Da passt Alkohol nicht ins Bild", sagt Lange. Gerne nehmen die Sternsinger aber die Einladung von Bürgern und Gaststätten an, zum Mittagessen oder zu einem wärmenden Kaffee einzukehren.

Der zuverlässige Einsatz der Hubbelrather wird aber nicht nur von den Bürgern, sondern auch von offizieller Seite gewürdigt. Joachim Kardinal Meisner und sein Nachfolger als Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki haben die Seniorensinger schon im Kölner Dom empfangen.

"Solange ich noch laufen kann, werde ich mich weiter am Sternsingen beteiligen", sagt Wicharz. Er hofft aber, dass sich auch wieder Nachwuchs finden wird, um zumindest im Ortskern das Brauchtum fortzuführen. Deshalb werden auch immer die Kindergärten aufgesucht, in der Hoffnung, die Jungen und Mädchen für die Sammelaktion begeistern zu können.

(RP)
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